856 II. Buch. Die Reichsgewalt.
daher, wenn einmäl rechtsgültig erworben, selbst im Wege der Gesetz-
gebung nicht anders als aus Gründen des öffentlichen Interesses und,
soweit sie einen wirtschaftlich schätzbaren Wert haben, nur gegen
Entschädigung entzogen werden. Sie bilden daher eine materielle
Schranke der Kolonialgewalt, wenn auch die formelle Rechtsgültig-
keit und Rechtsverbindlichkeit eines gesetzgeberischen Aktes durch
die Einhaltung dieser materiellen Schranke nicht bedingt ist.
Mit dem allen ist die Kolonialgewalt des Reiches eigene und un-
mittelbare Verwaltung. Sie ist es auch dann, wenn sie entweder durch
ihr Verhältnis zu den eingeborenen Autoritäten oder durch Kolonial-
gesellschaften an besondere rechtliche Schranken gebunden ist. Sie
ist es, weil, nachdem bei der Gründung des Reiches kein Einzelstaat
sich in dem Besitze einer Kolonie befand und nachdem die Reichs-
verfassung allen Einzelstaaten die Möglichkeit der eigenen Kolonisation
durch die Ausschliefslichkeit und Einheitlichkeit des Militär- und
Marinewesens entzogen hat, eine verfassungsmälsige Zwischenstellung
der Einzelstaaten nicht Platz greift.
Auch in der Kolonialgewalt über die Schutzgebiete, wie in der
Herrschaft über Elsafs-Lothringen, konsolidiert sich die Reichsgewalt
zur vollen Einheitlichkeit.e Das Reich ist auch hier mit dem
Einheitsstaate vollkommen gleichartig.
Pierer’sche Hotbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.