Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

80 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
Pflichten des erstern gegen die letztern auf wirtschaftliche Gewährungen 
und persönlichen Schutz. 
Die persönliche Schutzherrschaftoder Vogtei— in dem 
hier genommenen Sinne — ist ein durch sehr verschiedene historische 
Thatsachen — Rassenverschiedenheit, Kriegsgefangenschaft, Land- 
eroberung, freiwillige Unterwerfung, Kolonisierung — begründetes Herr- 
schaftsverhältnis, das eine nicht anderweitig bedingte Zugehörigkeit 
von Person zu Person stiftet. Sie findet in der Sklaverei ihre roheste 
Form, die vom Standpunkt des Rechtes nicht mehr eine gesellschaft- 
liche Verbindungsweise, sondern eine Sachenherrschaft darstellt. Sie 
stuft sich in mannigfach verschärften und gemilderten Hörigkeitsver- 
hältnissen ab und verfeinert sich bis zur Gestalt reiner Treueverhältnisse. 
Beide Erscheinungen — Grundherrschaft und Vogtei — pflegen 
in der historischen Entwicklung zu einem Gesamtverhältnis zu ver- 
schmelzen, das sich zu den beiden, manniefach individualisierten Grund- 
erscheinungen des bäuerlichen Abhängigkeitsverhältnisses und des 
Lehnsverbandes entwickelt. 
Innerhalb dieses Gesamtverhältnisses werden die den herrschaft- 
lichen Rechten Unterworfenen auch untereinander in eine nähere 
Verbindung gesetzt. Sie gliedern sich unter der Herrschaft, die überdies 
selbst wieder einem korporativen Verbande zustehen kann, wie in 
Familienverbänden, so in besonderen Genossenschaften. Und gerade 
hier liest der wesentliche Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung, 
dafs die Grund- und Schutzherrschaften, wie sie auf besonders gestal- 
teten historischen Voraussetzungen beruhen, so mit deren Wechsel sich 
umformen und schliefslich verschwinden, um die Funktionen, die sie 
in der „feudalen“ Gestaltung der Gesellschaft wahrgenommen haben, 
teils an die Verbindungsweise der freien Anpassung, teils an die 
politischen Bildungen der Gemeinde und des Staates abzugeben. 
2. Die zweite Gruppe der Herrschaftsverhältnisse wird gebildet 
durch den Typus des korporativen Verbandes. 
Es ist eine durchaus eigentümliche Organisationsform. Niemals 
ist es gelungen und wird es gelingen, ihren thatsächlichen Bestand und 
ihre rechtliche Gestaltung aufzulösen in die Form der Societät oder 
in die Herrschaftsweise des Familienverbandes, der Grund- und Schutz- 
herrschaft — unbeschadet der Thatsache, dafs in der historischen 
Entwicklung die Herausarbeitung der korporativen Verbände aus den 
patriarchalischen und feudalen Gesellschaftsbildungen nur allmählich 
erfolgt, dafs — in den körperschaftlichen Familienverbänden, in den 
despotischen und theokratischen, den Lehns- und absolutistischen Staaten
	        
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