$ 11. Die Organe. 87
Daraus ereiebt sich denn aber auch, dals sich in jedem Indivi-
duum, welches zum Organ eines korporativen Verbandes berufen ist,
die Scheidung in eine doppelte Rechtssphäre vollzieht: in den Komplex
von Rechten und Pflichten, welcher die Kompetenz des Organes.
ausmacht, auf der einen und in seine individuale Rechtssphäre
auf der andern Seite?.
In voller Schärfe tritt diese Rechtsstellung des ÖOrganes im
Staate hervor. Selbst da, wo die Scheidung der beiden Rechts-
sphären auf die gröfsten Schwierigkeiten trifft, in der Monarchie,
arbeitet sie sich in allmählicher Überwindung patriarchalischer und
feudaler Befangenheiten heraus zu der Beschränkung aller Herrscher-
gewalt auf Staatszwecke, zu besonderen formellen Bedingungen für
die Rechtsgültigkeit der Regierungsakte, zu der besonderen Univer-
salsuecession der Thronfolge.
II. Die Scheidung der Kompetenz und der Individualsphäre wird
ausschliefslich durch die Art der Zuständigkeit, aber — hier ab-
2 Die rechtliche Scheidung der beiden Sphären in demselben Organ,
welche sich thatsächlich in der Sonderung der wirtschaftlichen Gütermassen,
Einrichtungen und Veranstaltungen widerspiegelt und befestigt, ergiebt die
Möglichkeit und unter Umständen die Notwendigkeit, einen Ausgleich, einen
Austausch wirtschaftlicher Güter zwischen der einen und der anderen Sphäre
vorzunehmen. Das hat die Bedeutung, dafs bestimmte ökonomische Güter in
der Hand des Organes, welche bisher dem Rechte des korporativen Verbandes
rücksichtlich der Innehabung, Verfügung und Succession unterlagen, dem
individuellen Privatrecht unterworfen werden sollen oder umgekehrt. Das
bisherige korporative Eigentum wird in Privateigentum des Organes verwan-
delt oder umgekehrt; das Organ gewinnt den Anspruch, dafs gewisse Leistungen,
die es kraft der korporativen Verfassung vorzunehmen oder zu bewirken be-
rechtigt ist, in seinem Privatinteresse bewerkstelligt werden oder umgekehrt;
es erwächst ıhm die Pflicht, private Leistungen im Interesse des korporativen
Verbandes zu machen. Hier wickelt sich äufserlich Kauf, Tausch, Miete,
Darlehn u. s. w. zwischen dem Organ als solchem und ihm selbst als Privat-
mann ab. Allein in Wirklichkeit handelt es sich keineswegs um zweiseitige
Rechtsgeschäfte; es werden keineswegs zwischen dem nämlichen Subjekt in
seiner doppelten rechtlichen Qualifikation Rechte und Pflichten konstituiert.
Vielmehr liegen hier überall nur einseitige rechtliche Dispositionen des
einen Subjektes vor, zu denen dasselbe als Organ nach Mafsgabe der Ver-
fassung des korporativen Verbandes den Mitgliedern oder anderen Organen
gegenüber berechtigt oder verpflichtet ist. Aber allerdings ermöglicht und
bewirkt es die Trennung der beiden Rechtssphären, dafs diese durch ein-
seitige Dispositionen erfolgenden Übertragungen aus der einen in die andere
Rechtssphäre nach den nämlichen Rechtsregeln beurteilt werden, als ob sie
zwischen zwei verschiedenen Subjekten vorzunehmen wären, ja dafs in Streit-
fällen das nämliche Verfahren zu ihrer Schlichtung eingehalten wird, als ob
es sich um zwei subjektiv getrennte Parteien handelte.