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die beiden Staatsbürgerschaften ein höheres staatsrechtliches Band
zu errichten wünschen, sich auf den Dienst in den gemeinsamen
Angelegenheiten bezw. auf jene Eigenart dieses Dienstes zu berufen,
daß für denselben sowohl die ungarische, wie die österreichische
Staatsbürgerschaft gleichermaßen qualifiziert; hieraus wollen sie
nämlich den Begriff des „gemeinsamen Vaterlandes“ und der „ge-
meinsamen Staatsbürgerschaft* ableiten®. Die gemeinsamen
Aemter müßten aber eben deshalb für die österreichischen und
ungarischen Staatsangehörigen gleich zugänglich gemacht werden,
da eine gemeinsame Staatsbürgerschaft nicht besteht; die Ver-
wendung der österreichischen und ungarischen Staatsangehörigen in
den gemeinsamen Ministerien ist also bloß einmodus vivendi,
dureh welchen die Erledigung der gemeinsamen Angelegen-
heiten besorgt wird. Aber der in den gemeinsamen Aemtern
wirkende ungarische Staatsbürger bleibt ausschließlich der Gewalt
und den Gesetzen seines eigenen Staates unterworfen, es ent-
stehen für ihn aus dem Dienste in den gemeinsamen Institutionen
weder Rechte noch Pflichten dem anderen Staate der Monarchie
gegenüber, es verfügen über ıhn ausschließlich die Behörden sei-
nes eigenen Staates, und auch die gemeinsamen Minister üben
nur als Organe des ungarischen Staates, als Minister des unga-
rischen Staates obrigkeitliche Rechte über ihn aus.
Die gemeinsamen Angelegenheiten erzeugen nur zwischen
den beiden Staaten ein Rechtsrverhältnis, nicht aber zwischen
den in den gemeinsamen Institutionen angestellten Bürgern
und den beiden Staaten, d.h. der gemeinsame Dienst mo-
difiziert die Rechtsstellung der in demselben angestellten unga-
rischen und österreichischen Staatsangehörigen, ihr Verhältnis zu
dem ungarischen bezw. österreichischen Staate nicht. Die in den
80 KARMINSKI; „Die im gemeinsamen Staatsdienste stehenden Angehö-
rigen jedes der beiden Staaten haben nicht für ihre Heimatstaaten, son-
dern ausschließlich eben für das beiden gemeinsame Vaterland Oesterreich-
Ungarn zu wirken.“ (A.a. O. S. 22): MıLnErR: a. a. O. S. 96; DANTSCHER:
&. 2% O0. S. 321.