Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

158 8 6. Die Form der gesetzgeberischen Willensbildung. [62 
welche sich an alle Akte der Staatsgewalt, wenn sie zugleich 
verpflichtet sein soll, knüpfen müssen. Das findet seinen 
Ausdruck in den mannichfaltigen Kontrollrechten der 
Volksvertretung, welche dem Vollzuge der Staatsverwaltung 
nachfolgen, vor allen Dingen in dem Institute der Minister- 
verantwortlichkeit, von dem die Ministeranklage nur die pa- 
thologische Entwicklung darstellt. Aber so wahr es ist, dass 
die theoretische oder praktische Leugnung dieser Kontroll- 
rechte und dieser Ministerverantwortlichkeit — sei es im Ein- 
heits- oder Bundesstaate — die theoretische oder praktische 
Leugnung des konstitutionellen Staates selber ist, so erschöpft 
sich doch auch hierin die Gestaltung der Verantwortlichkeits- 
verhältnisse nicht. Sie äussert sich in gewichtigen Fragen 
des Staatslebens auch vorbeugend als die Verpflichtung der 
Staatsregierung gewisse Massregeln vor ihrem Vollzuge der 
Genehmigung, der Zustimmung der Volksvertretung zu unter- 
breiten, und damit vor derselben zu vertreten und zu verant- 
worten. 
Das alles sind Erscheinungen, die mehr oder minder ent- 
wickelt jedes konstitutionelle Staatswesen aufweist. Nirgends 
und in keiner konstitutionellen Verfassung der Welt ist die 
Volksvertretung auf eine Mitwirkung bei der Gesetzgebung 
beschränkt. Aber auch niemals ist es durchführbar gewesen 
die verschiedenartigen Funktionen, die in der Hand der Volks- 
vertretung liegen, in Eine Form der Willensbildung zu gies- 
sen; überall kennt das positive Recht der Sache und der Ter- 
minologie nach verschiedene solche Formen. 
Das ist es auch, was die deutschen Verfassungen 
aufweisen. Nicht Das also kann die Frage sein, ob auch 
sie die gesetzgeberische Willensbildung als eine be- 
sondere Form von andern Formen der Mitwirkung 
der Volksvertretung bei staatlichen Funktionen unterschei- 
den. Das glaube ich erwiesen zu haben. Es handelt sich 
vielmehr um die viel schwierigere, weil unwahrscheinliche und 
befremdliche Behauptung, dass trotz dieser Unterschiede doch 
die Form der gesetzgeberischen Willensbildung nicht
	        
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