Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

184 $ 9. Der Begriff der Verwaltung. [88 
Rechtspflege, sondern nur die Rechtsspreehung auf- 
nimmt. 
Er zerlegt die Rechtspflege in zwei Theile: in die Rechts- 
sprechung, die er allein der Gesetzgebung und der „Verwal- 
tung“ koordinirt, und in die übrigen, insbesondere die prozess- 
leitenden und vollstreckenden Funktionen, die er unter die 
„Verwaltung“ nach seiner Begriffsbestimmung fallen lässt. 
Gerade durch diese Vertheilung gewinnt er die Möglich- 
keit, die Rechtssprechung in ihrer Isolirung nicht durch die 
Aufgaben, die sie verwirklicht, sondern durch die Thätigkeits- 
form, die sie darstellt, begrifflich zu bestimmen. Und zwar, 
da der Gegensatz zur Gesetzgebung ein zweifellos gegebener 
ist, muss er es versuchen, die Rechtssprechung als eine be- 
sondere und eigenthümliche Funktion gegenüber der „Ver- 
waltung“ in seinem Sinne, als einer andern, besondern und 
eigenthümlichen Funktion zu charakterisiren. Zu diesem Be- 
hufe stellt er die „Entscheidung“, als den Akt der Rechts- 
sprechung, dem „Verwaltungsakt“ gegenüber. Er sagt (2. Aufl., 
I, 677): 
„Die Gebundenheit liegt im Wesen der Entscheidung“ 
(Rechtssprechung), „die rechtliche Freiheit der Entschliessung 
im Wesen des Verwaltungsaktes.“ 
Allein diese Unterscheidung ist unrichtig. 
Auch das Wesen des Verwaltungsaktes ist ebenso wie 
das der Entscheidung im Verhältniss zur Gesetzgebung Ge- 
bundenheit. Auch der Verwaltungsakt ist gebunden an das 
bestehende objektive Recht. Er kann immer nur erscheinen 
als die Ausführung eines rechtlichen Gebotes oder Verbotes 
oder als die Handhabung einer rechtlichen Ermächtigung; 
auch die letztere stellt eine vorhergehende, für den Verwal- 
tungsakt massgebende, eine bindende Willensbestimmung dar. 
Allerdings da, wo die rechtliche Ermächtigung nicht blos 
eine freie Würdigung der Thatbestände bei Anwendung recht- 
licher Vorschriften gestattet — dies findet im weitesten Um- 
fange auch bei der Rechtssprechung statt —, sondern wo sie 
die Freiheit der Entschliessung überhaupt als das subjektive
	        
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