107] $ 10. Der Begriff der Verwaltungsvorschriften. 203
Vorschriften für die vollziehende Verwaltung. Es sind „Ver-
waltungsvorschriften“ die in der dreifachen Form der
Verwaltungsgesetze, der Verwaltungsverordnungen
und der Verwaltungsbefehle erscheinen.
Und hier setzt denn der Streit ein.
Es fragt sich: wenn Verwaltungsvorschriften in der Form
des Gesetzes erlassen werden, sind dieselben alsdann Rechts-
sätze oder aber haben wir ein wissenschaftliches Recht, diesen
Vorschriften die Eigenschaft der Rechtssätze abzusprechen und
ihnen irgend einen andern rechtlichen Charakter zuzusprechen,
der sie entweder einer andern rechtlichen Kategorie, etwa der
allgemeinen Kategorie der Verwaltungsakte einordnet oder der
sie als eine eigenartige, von andern Rechtsbegriffen wesentlich
verschiedene Erscheinung darstellt?
Von Anfang an ist zweierlei gewiss. Die vorausgesetzte
Enntstehungsart, nämlich der Weg der Gesetzgebung und ebenso
die allgemeine Rechtswirkung derselben, nämlich rechtsver-
bindlich zu sein für alle die es angeht, sind es nicht, die
diese Verwaltungsvorschriften von den Rechtssätzen unterschei-
den. Es müssen anderweitige Gründe sein, die dies bewirken.
Ich vermag mir diese Gründe nur als eine dreifache Mög-
lichkeit zu konstruiren.
1. Entweder die Verwaltungsvorschriften in Gesetzesform
sind keine Rechtssätze, weil die Natur derjenigen Verrich-
tungen, welche die vollziehende Verwaltung bilden, einer
Regelung durch Rechtssätze ünzugänglich ist.
2. Oder sie sind es nicht, weil die Natur des Staates
in seiner vollziehenden Verwaltungsthätigkeit eine Freiheit
fordert und bewirkt, welche der Bindung an Rechtssätze wi-
derstrebt.
3. Oder sie sind es endlich darum nicht, weil das eigen-
thümliche Verhältniss der Über- und Unterordnung der Staats-
organe, die mit der vollziehenden Verwaltung betraut sind,
den Verwaltungsvorschriften einen von der Natur der Rechts-
sätze verschiedenen Charakter aufdrückt.
Ich prüfe diese Gründe im Einzelnen, obwohl die Dar