Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

216 8 12. Recht und Staat. [120 
schaft losgelöst auch nur gedacht werden könnte. Das phy- 
sische Gesetz der Zeugung macht das physisch, die Bedingt- 
heit jeder geistigen Entwicklung auch durch die Gesellschaft 
macht dies psychologisch, seine physisch-geistige Zweckbe- 
stimmtheit macht dies ethisch unmöglich. Allein darum bleibt 
es nicht minder wahr, dass Alles was menschlich ist — und 
menschlich ist die ganze Welt, insofern sie für den Menschen 
nur in seiner Vorstellung vorhanden ist — in einem letzten 
Einsatz ausschliesslich durch einen individuellen und darum 
schlechthin gesellschaftlosen Prozess erzeugt wird. Das allein 
ist es, was das Individuum zu einer auf sich selbst ruhenden 
Potenz macht und ihm einen Werth beimisst, den es auch 
abgesehn von der Gesellschaft besitzt. 
Der Staat im vollen Gegensatze hierzu bietet diese Seite 
der Betrachtung nicht dar. Er ist nothwendig und seiner Na- 
tur nach, in allen seinen Erscheinungen und Prozessen Gesell- 
schaft. Gewiss — die Vorgänge des Denkens, Fühlens und 
Wollens, die das Staatsleben durchdringen — auch sie können 
nur individuell erzeugt werden. Aber staatlich werden sie 
nur in dem Momente und unter der Bedingung, in welchem 
und unter welcher sie durch Willensakte sich veräusserlichen 
und dadurch zu gesellschaftlicher Wirkung gelangen. Nur 
dadurch dass die Individualprozesse eine erkennbare Beziehung 
auf die Gesellschaft nehmen und sich ihrer erkennbaren Ab- 
sicht nach in den Dienst der Zwecke stellen, die dem Staate 
eignen, werden sie zu staatlichen Prozessen. 
Und weil denn der Staat nur Gesellschaft seinem Wesen 
und seinem Begriffe nach ist, so hat er auch zur Bedingung 
das, was die Urbedingung jeder Gesellschaft ist. Vor- 
ausgesetzt freilich, dass wir unter Gesellschaft nur Zweckzu- 
sammenhänge einer Mehrheit von Menschen verstehn und den 
Begriff nicht so weit verflüchtigen, um darunter auch noch 
ein Verhältniss bloser Überwältigung, wie es der Herr gegen- 
über seinem Sklaven darstellt, oder jedes Verhältniss so zu- 
fälliger Berührung zu befassen, dass es nur in der Abstossung 
sich äussert, wie etwa die Berührung unzivilisirter Horden
	        
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