Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

255] $ 23. Die Budgetlosigkeit. 351 
Das ist der volle und schneidende Gegensatz zu der 
Rechtsauffassung, welche bisher die Gesetzgebung und die 
Rechtswissenschaft über das Verhältniss von Verfassung und 
Gesetz hegte. Sie sind als selbstverständlich davon ausge- 
gangen — denn nur die Parteileidenschaft und die gedanken- 
lose Routine haben es verleugnet —, dass die Verfassung das 
vorherrschende und überragende Gesetz sei, dass jedes andere 
Gesetz in keinem andern Sinne Geltung hat und verstanden 
werden darf, als in derjenigen Bestimmung und Bedeutung, 
in welcher der Verfassung über und mit diesem andern Ge- 
setze rechtliche Kraft und Relevanz verbleibt. 
Ich habe nicht die Aufgabe die Richtigkeit des letzten 
Standpunktes, obgleich ich ihn theile und überall vorausgesetzt 
habe, nachzuweisen. Wollte Laband und seine Schule im 
Allgemeinen oder, ihrer Budgettheorie zu Liebe, ad hoc das 
bisher in Geltung befindliche Grundverhältniss zwischen Ver- 
fassung und Gesetz als fehlerhaft und irrthümlich aufkündigen, 
so war es an ihnen, den Beweis dafür zu erbringen. Sie haben 
das bisher nicht versucht, nicht einmal in Andeutungen. 
Gehe ich aber bis zum erbrachten Gegenbeweis von dem 
herrschenden Standpunkt aus, dann allerdings und nothwendig 
ist die rechtliche Beurtheilung des budgetlosen Zustandes eine 
ganz andere. 
Freilich — wenn in der budgetlosen Zeit Ausgaben, die 
durch Gesetz nach Art und Mass festgestellt sind, geleistet 
werden, so kann es Niemand einfallen zu behaupten, dass 
diese Gesetze verletzt werden. Aber verletzt wird die Ver- 
fassungsvorschrift, welche es, gleichgültig welche andern 
Bestimmungen über Einnahmen und Ausgaben andere (Gresetze 
treffen, schlechthin verbietet, irgend welche Einnahmen zu 
verwenden zu irgend welchen voraussehbaren Ausgaben ohne 
und ausserhalb eines gesetzlich festgestellten Finanz- 
planes. Und zwar ist die Führung der Finanzverwaltung 
ohne diesen gesetzlichen Staatshaushaltsetat unter allen Um- 
ständen bewusstes und zurechenbares Handeln und darum be- 
wusste und zurechenbare Verfassungswidrigkeit.
	        
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