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Grasteppich, der den großen Pferde-, Rinder= und Schafherden für einige Wochen
üppige Kost bietet. Bald aber versengt die Sonnenglut alles Grün. Monatelang
fällt oft kein Regentropfen. Der Boden wird hart wie Stein und bedeckt sich mit braun-
schwarzem Staube. Das Vieh leidet dann Hunger und Durst und nagt zuweilen die
halbverfaulten Strohdächer ab. Jahraus, jahrein weidet hier das Vieh im Freien;
denn Ställe hat der Ungar für seine großen Viehherden nicht. Daher kommt es auch
nicht selten vor, daß im Winter die heftigen Schneestürme ganze Herden vernichten.
1. Rußland. (10 mal so groß wie Deutschland — 100 M. E.)
1. Bodenverhältnisse und Flüsse. Rußland ist eine ungeheuer große Tief-
ebene. Im Osten wird sie durch das metallreiche Uralgebirge, im Süden
durch den Kaukasus begrenzt. In der weiten Ebene können sich mächtige Ströme
entwickeln: Wolga (der größte Strom Europas), Don, Dnjepr, Weichsel, Düna,
Dwina, Ural. Die höchste Erhebung in der Ebene ist die Waldai-Höhe.
2. Nordrußland. An der Küste des nördlichen Eismeers dehnt sich eine
fast unbewohnbare Sumpfwüste, die Tundra, aus. 9 Monate des Jahres hin-
durch ist hier der Boden zugefroren, und in dem kurzen Sommer taut er kaum
1½2—1 m tief auf. Südlich von der Tundra beginnt das unermeßliche Reich der
Nadelwaldungen. Hier leben Wölfe, Bären, blaue Füchse, Hermeline und Zobel,
die ihrer Pelze wegen von den Samojeden u. a. halbwilden Völkern gejagt
werden. — Die wichtigste Stadt hier ist Archangel, an der Dwina. (Wie erklärt
sich hier die starke Holz= und Pelzausfuhr?) — Im Westen Rußlands liegt Finn-
land mit seinen Seen, Sümpfen, Felsen und unermeßlichen Wäldern.
3. An der Ostseeküste liegen die Ostseeprovinzen. Von diesen waren
Kurland, Livland und Esthland früher im Besitze der Deutschritter. Daher
erklärt es sich, daß noch 1 Million Deutsche dort wohnen. Ostlich von diesen Pro-
vinzen liegt der größte Landsee Europas, der Ladogasee. Aus ihm fließt die
Newa in den finnischen Meerbusen, während er selbst durch einen Zufluß aus dem
Onégasee gespeist wird. An der Newa liegt Petersburg, die Hauptstadt Rußlands.
Petersburg (über 1 M.) wurde 1703 von Peter d. Gr. gegründet. Die
Stadt liegt in nordisch öder Gegend. Aber bei ihrer sonst günstigen Lage (auf
dem Neva-Delta und zwar da, wo die Ostsee am tiefsten ins Land einschneidet)
blühte sie schnell empor. Sie ist eine der schönsten Residenzstädte und zeichnet sich
durch breite, gerade Straßen, große Plätze und riesenhafte Paläste aus. „Jedes
Haus ein Palast, jeder Palast eine Stadt.“ In Petersburg giebt es Häuser, in
denen so viel Menschen wohnen, wie bei uns oft in einer ganzen Stadt. So
beherbergt das Schloß des Zaren, der Winterpalast, etwa 6000 Menschen. Die
Häuser der Reichen haben der Kälte wegen Doppelfenster und Doppelthüren, und
die Mauern sind 1— 1½ u dick. Im Winter erreicht die Kälte zuweilen — 380° C.
In den Sommermonaten dagegen wird es infolge des Festlandklimas (S. 102) in
Petersburg unerträglich heiß, und die Hitze steigt dann zuweilen bis auf + 38° C.
Der Schlüssel zu Petersburg ist Kronstadt, der erste Kriegshafen Rußlands.
An der Mündung der Düna liegt Riga, nächst Petersburg und Odessa die
größte Handelsstadt Rußlands. Besonders werden von hier die Erzeugnisse des
fruchtbaren Hinterlandes (Holz, Flachs, Getreide) ausgeführt. Berühmt ist auch
der Rigaer Leinsame.
4. Mittelrußland birgt in seinem nördlichen Teile sehr große Laubwälder,
in denen Eiche und Linde vorherrschen. Die Blüte der Linde begünstigt die
Bienenzucht. Der südliche Teil Mittelrußlands umfaßt das Land der „schwarzen
Erde", die Kornkammer Rußlands. Hier ist der Boden außerordentlich fruchtbar,
so daß Weizen, Roggen, Mais u. s. w. ohne Düngung aufs beste gedeihen.