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sich daran „verbrannt“ hat. Aber woher kommt dieses Brennen? Betrachten wir
die Oberfläche des Blattes durch ein Vergrößerungsglas, so seben wir, daß sie
über und über mit kleinen Härchen besetzt ist. Das sind die sogenannten „Brenn-
haare“. Sie dienen zur Abwehr der Feinde und sind deshalb mit einem ätzenden
Safte angefüllt. An der Spitze tragen sie ein Knöpschen. Sobald man die Brenn-
haare berührt, springt das Knöpfchen ab. Die spröde Spitze zerbricht und ritzt
die Haut. Gleichzeitig dringt auch der ätzende Saft in die Wunde und verursacht
dann jenes empfindliche Brennen.
2. Die Gäste. Von Zeit zu Zeit erhält die Brennessel Besuch von einzelnen
Schmetterlingen, namentlich stellen sich Pfauenauge, Admiral und Fuchs bei ihr
ein. Was wollen sie? Etwa den Honig aus der Blüte naschen? Blüten hat zwar
die Brennessel, sogar zweierlei: Stempel= und Staubblüten. Aber Honig geben diese
nicht, auch locken sie die Schmetterlinge nicht durch prächtige Farben und süßen
Duft an. Sie haben diese zur Anlockung der Insekten auch nicht nötig, da sie
sich selbst bestäuben. Das, was die Schmetterlinge zur Brennessel treibt, ist
allein die Sorge um die Nachkommenschaft. Ihre Raupen nähren sich nämlich
fast nur von den Blättern der Brennessel. Darum suchen diese Schmetterlinge
die Pflanze, um die sie sich sonst gar nicht kümmern, auch nur zu der Zeit auf,
wenn sie ihre Eier legen wollen, damit die später auskriechenden Raupen auch
sofort zu fressen haben. Wer aber sagt das dem Pfauenauge und Admiral? Haben
sie vielleicht noch eine Ahnung davon, daß auch sie einst in ihrem Raupenzustande
auf der Brennessel gelebt haben? Wahrlich, die Natur ist überall voller Wunder und
nötigt uns Erstaunen ab vor der wunderbaren Hand des allmächtigen Schöpfers.
62. Der Löwenzahn.
1. Pflanzennamen. Diese Pflanze hat sehr verschiedene Namen. Von den
eigentümlich gestalteten, tief ausgeschnittenen Blättern heißt sie „Löwenzahn"“. Kinder
nennen sie auch wohl „Kettenblume“, weil sie aus den hohlen Blütenschäften lange
Ketten machen. „Kuhblume“ heißt sie wahrscheinlich deshalb, weil sie gern von der
Kuh gefressen wird. — Die Namen der Pflanzen sind nicht zufällig entstanden.
Häufig knüpfen sie sich an besondere Formen der Blätter und Blüten, wie beim
Pfeilkraute, Fingerhute, Löwenmaule, Storchschnabel, bei der Küchenschelle (Kuh-
schelle), Glockenblume u. a. Bei einigen erinnert der Name an den Standort:
Heidekraut, Kornblume, Wegerich, Sumpfdotterblume u. s. w. Zuweilen weist auch
der Name auf die Blütezeit hin: Maiglöckchen, Schneeblume, Johanniskraut, Herbst-
zeitlose u. a. Auch andre Eigentümlichkeiten haben nicht selten den Namen ver-
anlaßt, so bei der Zitterpappel, Brennessel u. s. w.
2. Wurzel, Blätter und Blütenschaft. Der Löwenzahn hat einen unter-
irdischen Stengel mit starker Hauptwurzel. Der Stengel verzweigt sich, so daß
die Wurzel mehrere Achsen trägt. Jede Achse wird im Frühlinge mit einer Blatt-
rosette gekrönt und bildet so gewissermaßen eine Pflanze für sich. Die Blätter
sind mit tiefen Einschnitten versehen. Sie verdunsten daher weniger Wasser. An
sonnigen Stellen sind sie tiefer gespalten als an feuchten; hier sind sie zuweilen
fast ganzrandig, um mehr Wasser ausdünsten zu können. Auch stehen sie hier mehr
aufrecht. Warum? (S. 167.) Der Blütenschaft (S. 167) ist hohl. Spalte ihn! Die
einzelnen Streifen rollen sich nach außen um. Zugleich fließt ein weißlicher Milchsaft
heraus. Solcher Saft findet sich in allen Pflanzenteilen. Er hat einen scharfen, wider-
lichen Geschmack und bildet wahrscheinlich ein Schutzmittel gegen manche kleine Tiere.
3. Die Blüte ist eine Korbblüte. Sie setzt sich aus vielen einzelnen Blüten
zusammen und ist von einem „Hüllkelche“ umgeben. Dieser Kelch ist aus einer
dreifachen Blätterlage gebildet. In ihm steht wie in einem Korbe eine Anzahl