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k. Wilhelm I. als Kaiser.
1. Friedefürst. Wilhelm war ein Kriegsheld ohnegleichen. In allen seinen
Kriegen blieb der Sieg seiner Fahne treu. Aber nie zog er das Schwert, um Er-
oberungen zu machen, sondern stets nur, um seine Rechte zu verteidigen. Nicht durch
Krieg, sondern durch Frieden sein Volk zu beglücken, das war sein Wunsch und Wille.
Um seinem Volke den Frieden zu sichern, schloß er mit Ostreich und Italien den so-
genannten „Dreibund“. Als sicherste Bürgschaft des Friedens aber galt dem Kaiser
ein schlagfertiges Heer. Darum war er auch stets auf eine kriegstüchtige Armee be-
dacht. Auch die Kriegsflotte vergrößerte er. (Jetzt 100 Schiffel) Dadurch wurde
es ihm möglich, überseeische Kolonien zu gründen. (Deutsch-Westafrika, Kamerun,
Deutsch-Ostafrika 2c.) Von seinen Unterthanen wurde Kaiser Wilhelm geliebt, wie
wohl selten ein Fürst auf Erden. Aber dennoch fanden sich verruchte Mörderhände,
die ihm nach dem Leben trachteten. Als er einst im Jahre 1878 auf einer Spazier-
fahrt begriffen war, feuerte ein heruntergekommener Klempnergesell dicht bei dem
Brandenburger Thor in Berlin zweimal hintereinander eine Kugel auf ihn ab. Aber
Gott schützte den edlen Kaiser. Beide Schüsse gingen fehl. Nach drei Wochen aber
wurde bei einer Ausfahrt aus einem Hause „Unter den Linden“ ein Schrotschuß auf
ihn abgefeuert. Der 82jährige Greis mußte, aus dreißig Wunden blutend, in sein
Palais getragen werden. Jedoch auch diesmal war Gottes Hand mit ihm. Er ge-
nas wieder, und als er aus dem Bade zurückkam, sagte er zu seinem Hofprediger:
„Gott hat alle Haare auf meinem Haupte gezählt; er hat auch die Schrotkörner ge-
zählt, die in meinen Arm und Kopf gedrungen sind, und es hat keins in den Sitz des
Lebens dringen können“. Sein Wahlspruch war: „Gott mit uns!“ "
2. Sorge für die Arbeiter. Unablässig war der Kaiser darauf bedacht, das
Wohl der Arbeiter zu fördern. Auf seinen Wunsch wurden daher eine Versiche-
rung der Arbeiter gegen Unfälle und eine Kasse zur Unterstützung in Krank-
heitsfällen geschaffen. Die Einrichtung einer Alters= und Invalidenversor-
gung, die er plante, hat er nicht mehr erlebt. Sie ist erst unter seinem Enkel, unserm
jetzigen Kaiser, Wilhelm II., zur Ausführung gebracht.
3. Einfachheit. Der Kaiser Wilhelm war in allem sehr einfach. Als Schlaf-
stätte diente ihm ein einfaches Feldbett, das er auch auf seinen Reisen mit sich nahm.
Es bestand aus einem eisernen Gestelle, einer Matratze und einigen wollenen Decken.
Schlafrock und Pantoffeln waren ihm unbekannte Dinge, und von früh bis spät sah
man ihn gewöhnlich in der Uniform seines Garderegiments, in der er auch auf seinen
Wunsch beigesetzt worden ist. .
4. Im Felde. Der Kaiser war Soldat mit Leib und Seele, und so oft seine
Truppen ins Feld rückten, war er ihr Führer und teilte mit ihnen die Mühen und
Gefahren des Krieges. An Schlachttagen folgte er meist zu Pferde dem Gange der
Ereignisse, und mehr als einmal geriet er dabei in Lebensgefahr. Besonders rührend
war seine Teilnahme für die Verwundeten. Sehr oft besuchte er die Lazarette,
erkundigte sich genau bei den Kranken, ob es ihnen auch nicht an Pflege und Er-
quickung fehle, ging von Bett zu Bett und sprach in freundlichster Weise mit jedem
einige Worte.
Einmal kam er an das Bett eines Musketiers und fing ein Gespräch mit ihm an.
Dabei äußerte der Kranke: „Heute werde ich 24 Jahre alt. O, wie freue ich mich, heute
meinen König zu sehen!“ Der König reichte ihm freundlich die Hand Als der Musketier
gegen Abend sanft eingeschlummert war, legte ihm ein Leibjäger des Königs heimlich eine
goldene Uhr nebst Kette auf sein Bett. Die Freude des Kranken beim Erwachen war
übergroß. — In Versailles fand der Kaiser einst im Lazarette neben dem Bette eines Ver-