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umstanden das Sterbebett. Nur der Kronprinz weilte fern in Italien, um dort
Heilung von seinem schweren Halsleiden zu suchen. „Ach, könnte ich doch Fritz nur
noch einmal in die Arme schließen!“ seufzte der sterbende Vater. Unter Trostsprüchen
des Hofpredigers: Ob ich schon wanderte im finstern Thal — Unser keiner lebt ihm
selber — Wenn ich einmal soll scheiden — u. a. nahte die Todesstunde. Als ihn
jetzt seine Tochter Luise, Großherzogin von Baden, fragte: „Bist du müde, Vater?“
entgegnete er flüsternd: „Ich habe keine Zeit, müde zu sein!“ Gegen 8½ Uhr
morgens nahm das Antlitz des Sterbenden einen überaus friedlichen Ausdruck an,
und leise schlummerte die Seele in ein besseres Jenseits hinüber. — Acht Tage später
wurde er, wie er gewünscht hatte, im Mausoleum zu Charlottenburg neben seiner
von ihm so sehr geliebten Mutter beigesetzt.
7. Kaiserin Augusta. Die Gemahlin Wilhelm I. hieß Augusta. Sie war ihm
eine treue Lebensgefährtin. Wie eine echte Landesmutter war sie stets darauf bedacht,
Not und Elend zu mildern. In den schweren Kriegszeiten war ihre Fürsorge be-
sonders den Verwundeten und Kranken gewidmet. „Sie möchte am liebsten"“, sagte
einmal der König von ihr, „jeden verwundeten Soldaten in ein Himmelbett gelegt
haben.“ Das von ihr in Berlin gegründete Augusta-Hospital wurde gerade 1870 fertig.
Einmal begegnete ihr eine weinende Frau. Ihr einziger Sohn war soeben im Laza-
rett gestorben. Die Königin rief die Frau zu sich, schloß sie in die Arme und suchte sie
über den schweren Verlust zu trösten. Die Frau sagte später: „Ich will es allen Müttern
sagen, wie die Königin mit ihnen fühlt.“
Zur Pflege der Verwundeten gründete sie den „Vaterländischen Frauenverein.“"
40. Kaiser Friedrich III. 9. März bis 15. Juni 1888.
1. Ingend. Vermählung. Friedrich, Kaiser Wilhelms einziger Sohn, wurde
1831 geboren. Frühzeitig begannen für den kleinen Prinzen die militärischen
übungen, denen er sich mit Lust und Eifer hingab. Da es im preußischen Königs-
hause üblich ist, daß jeder Prinz ein Handwerk erlernt, wählte er sich die Tischlerei
und die Buchbinderei. Noch heute zeigt man in dem früheren Schlafzimmer seines
Vaters im Schlosse Babelsberg einen Holzschemel, den der Prinz eigenhändig ange-
fertigt hat. In seinem 18. Jahre bezog er die Universität Bonn; später widmete er
sich dem Militärdienste. — Im Jahre 1858 vermählte sich der Prinz mit der Prinzessin
Viktoria von England. Von den acht Kindern, die dem erlauchten Paare geboren
wurden, sind noch sechs am Leben: Wilhelm (unser jetziger Kaiser), Charlotte, Heinrich,
Viktoria, Sophie und Margarete. 4 .
2. Im Felde. Friedrichs Wahlspruch war: „Furchtlos und beharrlich“. Mit
kühnem Mute rückte er in den Kriegen 1866 und 1870 gegen Ostreich und Frankreich
vor und errang mit seiner Armee Sieg auf Sieg. Daher ward ihm auch der Titel
Feldmarschall verliehen. Die Soldaten hingen mit Liebe und Verehrung an ihm.
Hatte er doch für jeden ein freundliches Wort, wenn er mit der Soldatenmütze und
der kurzen Pfeife im Munde durch die Reihen seiner Krieger dahinschritt. Und wie
glänzten die Augen der Verwundeten vor Freude, wenn der Kronprinz ihnen freund—
lich die Hand reichte, sich nach ihren Wunden erkundigte und ihnen tröstende Worte
sagte! Sie waren stolz auf ihren „Fritz“, und er hielt es für eine Ehre, so brave
Truppen zu kommandieren.
3. Herzensgüte. Friedrich war ein Fürst von großer Herzensgüte und Freund-
lichkeit. Wo er Not und Elend sah, suchte er sofort zu lindern und zu belfen.
Eines Tages ging der Kronprinz durch Potsdam. Da wurde ihm ein Krankenkorb
entgegengetragen. Er fragte nach dem Kranken und erfuhr, daß ein Anstreicher darin liege,