Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

Fürsorgeerziehung. 
schlußfassung sind die Eltern und ev. die Groß- 
eltern, der Vormund, Gegenvormund oder Pfleger, 
sowie der Gemeindewaisenrat, das Pfarramt der 
Konfession des Minderzj., die zuständ. Schulbeh. 
und der Vorstand der Landarmenbeh. zu hören; 
überdies ist den Eltern soweit tunlich zur mündl. 
Darlegung des Sachverhalts vor dem Amtsgericht 
Gelegenheit zu geben; Verwandte und Verschwä- 
gerte des Minderj. sollen gehört werden, wenn 
dies ohne erhebliche Verzögerung und ohne unver- 
hältnismäßige Kosten geschehen kann. Der er- 
gehende Beschluß ist dem Antragsteller, den ge- 
nannten Pers. und Beh., ausgenommen Pfarramt, 
und Schulbeh., ferner dem Minderzj. selbst, falls er 
14 J. alt ist, zuzustellen und es steht dens. die 
sofortige Beschwerde (binnen 2 W. von der Zu- 
stellung) gegen den amtsgerichtl. Beschluß an das 
Landgericht zu, den Eltern oder Großeltern falls 
ihre Anhörung nicht stattfinden konnte, auch der 
jederzeitige Antrag auf Wiederaufnahme des Ver- 
fahrens. Wenn sofortiges Einschreiten 
dringend geboten, kann vor Abschluß des Verf. eine 
vorsorgl. Unterbringung angeordnet werden. Auf 
das Verf. in FE#achen finden die Vorschr. des 
FEG. 17. 5. 98 Anwendung, soweit nicht das 
Landesgesetz 29. 12. 99 Abweichendes bestimmt. 
Art. 2—8 des Min E. 21. 12. 06, Min JAbl. S. 199, 
gibt nähere Vorschr. über die Handhabung einz. 
Best., spez. betr. schleuniges Einschreiten. — Die 
Ausführung, Art. 9—14, der vom A. an- 
geordneten FE. kommt dem durch je einen Ver- 
treter der evang. und kathol. Schule verstärkten 
Ausschuß der Landarmenbeh. desjenigen Kreises 
zu, innerhalb dessen das beschließende Amtsgericht 
seinen Sitz hat; dass. hat namentlich zu entschei- 
den, ob der Minderj. in einer Familie oder in 
einer Erziehungs= oder Besserungsanst. unterzu- 
bringen ist, wobei auf die Konfession sowie den 
Grad der Terwahrlosung, Rücksicht zu nehmen, das 
Erforderliche bez. der Durchführung und Ueber- 
wachung der FSE. einzuleiten, auch für ein geeig- 
netes Unterkommen des Zöglings nach seiner Ent- 
lassung aus der FE. zu sorgen ist. Gde-= und Pol.= 
Beh. haben auf Ersuchen Hilfe zu leisten. In drin- 
genden Fällen kann der Vors. der Landarmenbeh. 
die erforderl. Anordnungen vorbehältlich der nach- 
träglichen Zustimmung des Ausschusses treffen. 
Vor der Beschlußfassung über die Art der Unter- 
bringung sind die Eltern oder der Vormund sowie 
die obengen. Beh. zu hören, die ersteren auch vor 
der Zuweisung des Minderj. zu einem best. Beruf, 
es steht ihnen gegen die getroffene Anordnung das 
Beschwerderecht zu. — Die Entscheidung darüber, 
in welchen Anstalten (staatlichen oder pri- 
vaten) Fürsorgezöglinge untergebracht werden 
dürfen, steht dem Ministerium des Innern im 
Einvernehmen mit dem Kultministerium zu; aus- 
geschlossen sind Anst. die zur Aufnahme der der 
LandespolBeh. nach § 362 StGB. überwiesenen 
Personen sowie zur Unterbringung von erwach- 
senen Kranken, Gebrechlichen oder Armen best. 
sind (Arbeitshaus, Landarmenanst., Armenhaus, 
Siechenhaus, Krankenhaus für Erwachsene), doch 
ist die Unterbringung in einer Erziehungs= oder 
  
283 
Rettungsanst., in der sich auch hilfsbedürftige Kin- 
der befinden, nicht ausgeschlossen, ebenso vorüber- 
gehend in einem Krankenhaus, § 23 VV. Im ein- 
zelnen sind die Anst., in denen Fürsorgezöglinge 
untergebracht werden dürfen, bezeichnet im Min.= 
Just Abl. 1900 142, 1902 65, 1904 29 89, 1005 61, 
1906 125, 1909 94, 1911 94 252, 1912 17. Für 
einen Zögling, der in einer unter staatlicher 
Aufsicht stehenden Erzichungsanstalt unter- 
gebracht ist, hat der Anstaltsvorstand alle 
Rechte und Pflichten eines Vormunds, und er 
behält sie auch nach Beendigung der FE. bis zur 
Volljährigkeit des Minderj.; ev. kann das Vorm.= 
Ger. einen anderen Vormund bestellen, Nov. 8. 6. 
12. Für jeden in einer Familie auf öff. Kosten 
untergebrachten Zögl. ist vom Gdewaisenrat ein 
Fürsorger zu bestellen, der im Verein mit ersterem 
über die Erziehungstätigkeit der betr. Familie so- 
wie über das Verhalten des Zögl. pers. zu wachen 
hat. Bei Auswahl von Fam., wobei mit 
Kinderrettungsvereinen u. ä. V. in Vbdg. zu treten 
sich empfiehlt, ist die Rücksicht, abgesehen von der 
Konfession, auf die Zuverlässigkeit und Tüchtig- 
keit der Familie maßgebend und eine Familie ist 
nur dann als geeignet anzuehen, wenn sie hin- 
reichende Sicherheit dafür bietet, daß sie bei ein- 
facher Haltung des Zöglings für die körperl. Ver- 
pflegung genügend sorgen, eine günstige erziehe- 
rische Wirkung fortgesetzt ausüben und jeden nach- 
teiligen Einfluß speziell seitens der bish. Erzieher 
ausschließen wird. Die Fam. muß, worüber ein 
Zeugnis des Gdewaisenrats nebst einer Aeußerung 
des Pfarramts und der Schulbeh. einzuholen ist, 
einen guten Leumund, ein den eigenen Unterhalt 
sicherndes Auskommen, eine geordnete Haushal- 
tung, sowie eine gesunde und genügend geräumige 
Wohnung haben, auch sich bereit erklären, den 
Zögl. als Familienglied aufzunehmen, VV § 13; 
mit dem Familienvorstand ih ein entspr. schrift- 
licher Vertrag mit jederzeitigem Kündigungs- 
recht abzuschließen. Vor der Unterbringung in 
einer Familie ist dem Pfarramt der Konfession 
des Zögl. und im Schulpflichtigkeitsfall der Schul- 
beh. des Unterbringungsorts Mitteilung zu 
machen, ebenso von jeder Unterbringung dem Vor- 
mundsch Ger. (§ 10 das., Art. 10 G.). — Be- 
schwerden über die Art der Unterbringung 
eines Zöglings werden von der Kreisregierung 
und endgültig vom Min . entschieden. Die 
staatliche Ueberwachung der FE. wird 
durch Beh. od. besond. Beauftragte des Staats aus- 
geübt. — Die Beendigung der FE., Art. 16, 
17, tritt ein 1., wenn der Zögling das 18. Le- 
bensj. vollendet hat, 2., wenn vor dem Eintritt 
dieses Zeitpunkts die Entlassung aus der FE. vom 
Vorm Ger. beschlossen wird, was geschieht, wenn 
der Zweck der FE. erreicht oder seine Erreichung 
anderweitig sichergestellt ist oder wenn die die FE. 
begründenden Verhältnisse weggefallen sind. Der 
Beschluß erfolgt von Amts wegen oder auf Antrag, 
antragsberechtigt sind die Eltern oder Großeltern, 
der Vormund, Gegenvormund oder Pfleger, der 
Gdewaisenrat und der Ausschuß der Landarmen- 
beh. und vor der Beschlußfassung sind letzterer 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.