Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

Gefängniswesen. 
die erforderl. Maßnahmen durch die oberste Auf- 
sichtsbeh. getroffen. — Aufnahme und Ent- 
lassung. Die Aufn. erfolgt auf Grund einer 
schriftl. Verf. der Strafvollstreckungsbeh. (Str Beh.). 
In der Aufnahmeverfügung (A#.) werden Urteil 
oder Strafbefehl, Straftat, erkannte Strafe und 
der Zeitpunkt angegeben, von dem ab die Straf- 
zeit zu berechnen ist. Ist die Strafzeit zum Teil 
schon verbüßt oder Untersuchungshaft abzurech- 
nen, so wird dies in der W. vermerkt. Gleich- 
zeitig teilt die Str Beh. der Anst. mit, was über 
frühere Zuchthaus-, Gefängnis= und geschärfte 
Haftstrafen des Verurteilten bekannt ist. Eine 
vorläufige Aufnahme in die Anst. wird der Str.= 
Beh. alsbald mitgeteilt. Jede Anst. führt ein Ver- 
zeichnis über Aufnahme und Entlassung. Dem 
Gef. wird bei der Aufnahme die Berechnung der 
Strafzeit mitgeteilt. Auf Verlangen erhält er 
bei der Entlassung eine Bescheinigung über die 
Verbüßung der Strafe. — Einzelhaft. Bei 
Zuchthaus= und GefStrafen wird die E., § 22 
St GB., vorzugsweise angeordnet, wenn die Strafe 
3 M. nicht übersteigt oder der Gef. das 25. Lebensj. 
noch nicht vollendet hat oder der Gef. Zuchthaus-, 
Gef.= oder geschärfte Haftstrafe noch nicht ver- 
büßt hat. Noch nicht 18 J. alte Gef. werden ohne 
Genehmigung der Aufsichtsbeh. nicht länger als 
3 M. in E. gehalten. E. ist ausgeschlossen, wenn 
von ihr eine Gefahr für den körperlichen oder 
geistigen Zustand des Gef. zu besorgen ist. Jeder 
Gef. in E. wird täglich mehrmals von Beamten 
der Anst. und monatlich mind. einmal von dem 
Vorstand und dem Arzt besucht. — Gemein- 
schaftshaft. Bei G. ist eine Absonderung der 
Gef. in Kirche und Schule und bei der Bewegung 
im Freien nicht ausgeschlossen. Für die Nacht 
werden die Gef. tunlichst von einander getrennt. 
Bei G. werden Gef., die einfache Haftstr. ver- 
büßen und Gefängnissträflinge, die sich im Besitz 
der bürgerl. Ehrenrechte befinden und zuvor weder 
Duchthausstr., noch eine 2 W. übersteigende Ge- 
fängnisstr. oder wiederholte Gefängnisstr., noch 
eine geschärfte Haftstr. verbüßt haben, nach Mög- 
lichkeit von Gef. anderer Art abgesondert. — Be- 
schäftigung. Den Gefängn Sträfl., sowie den 
Gef., die geschärfte Haftstr. verbüßen, wird i. d. 
N. Arbeit zugewiesen und nur ausnahmsweise ge- 
stattet, sich selbst zu beschäftigen; letzteres kann 
von Zahlung einer Entschädigung abhängig ge- 
macht werden. Die Selbst B. wird vom Vorstand 
beaufsichtigt. Bei Zuweisung von Arbeit werden 
Gesundheit, Fähigkeiten und künftiges Fortkom- 
men, bei Gefängn Sträfl. auch Bildungsgrad und 
Berufsverhältnisse berücksichtigt, bei jugendl. Gef. 
auch deren Erziehung. Festungsgef. ist jede mit 
Strafzweck, Sicherheit und Ordnung vereinbarte 
Beschäftigung gestattet. Das gleiche gilt für Gef., 
die einfache Haftstr. verbüßen. Die tägl. Arbeits- 
zeit beträgt i. d. R. für Zuchthaussträfl. nicht 
mehr als 12, für Gef.= und Haftsträfl. nicht mehr 
als 11 St. Der Ertrag der zugewiesenen Arbeit 
fließt zur Staatskasse. Die Gutschrift einer 
Arbeitsbelohnung ist nicht ausgeschlossen. Die Be- 
lohnung beträgt für Zuchthaussträfl. i. d. R. nicht 
291 
mehr als 20 3, für Gef.= und Haftsträfl. nicht 
mehr als 30 3 auf den Arbeitstag. Welche Rechte 
dem Gef. aus der Gutschrift erwachsen, wird von 
der obersten Aufsichtsbeh. bestimmt. Der Ertrag 
der Selbstbeschäftigung, soweit er nicht auf die 
Entschädigung zu verrechnen ist, verbleibt dem Gef. 
Bei Verwertung der Arbeitskraft der Gef. sind die 
Interessen des Gewerbes zu schonen. Deshalb sind 
bei Beschäftigung der Gef. übereinstimmende 
Grundsätze zu befolgen, soweit nicht die wirtschaftl. 
Verhältnisse für einzelne Anst. Abweichungen not- 
wendig machen. Die Verdingung der Arbeits- 
kräfte der Gef. an Arbeitgeber ist tunlichst ein- 
zuschränken, der Betrieb auf zahlreiche Geschäfts- 
zweige zu verteilen und auf Lieferungen für die 
Staatsverwaltung zu erstrecken, unter allen Um- 
ständen aber Unterbindung der xeien Arbeit zu 
vermeiden. — Beköstigung. Die Kost soll Ge- 
sundheit und Arbeitsfähigkeit der Gef. erhalten. 
Sie kann mit Rücksicht auf die Arbeit verschieden 
sein, ist sonst aber für alle Gef. gleicher Art die- 
selbe. Abweichungen für Einzelne bestimmt auf 
Gutachten des Arztes der Vorstand. Efe., die einf. 
Haft verbüßen und Festungsgef. können sich selbst 
beköstigen. Inwieweit Gefträfl. die Selbst- 
beköstigung gestattet werden darf, bestimmt die 
oberste Aufsichtsbeh. — Kleidung. Durch die 
Hausordnung kann für die Gef. Anstaltskl. ein- 
geführt werden. Wo Anstaltskl. einge führt ist, er- 
halten die Zuchthaussträfl. eine Kleidung, die sich 
von der Kleidung der andern Gef. unterscheidet. 
Gef., die einf. Haft verbüßen, und Festungsgef. 
sind eigene Kleidung, Wäsche und Bettstücke ge- 
stattet. Unter welchen Voraussetzungen Gef Sträfl., 
die im Besitz der bürgerl. Ehrenrechte sich befinden, 
eigene Kleidung, Wäsche und Bettstücke gestattet 
werden können, bestimmt die Hausordnung. Den 
männl. Zuchthaussträfl. wird das Haar kurz ge- 
schoren und der Bart abgenommen. Bei den übr. 
Gef. wird die Haar- und Barttracht nur aus 
Gründen der Reinlichkeit und Schicklichkeit ver- 
ändert. — Krankheitsfälle. Kr. Gef. wer- 
den i. d. R. innerhalb der Strafanst. selbst oder 
in einer nur für Gef. bestimmten Anst. behandelt. 
Nur sofern der Zustand des Erkrankten es erfor- 
dert, wird er in einer andern von der Aufsichts- 
beh. bestimmten Heilanstalt untergebracht. Auf kr. 
Gef. sind die Grundsätze über Trennung der Gef. 
nicht anzuwenden. — Seelsorge. Keinem Gef. 
wird der Zuspruch eines Geistlichen seines Be- 
kenntnisses versagt. In größeren Anst. werden 
regelmäßig Gottesdienste oder Andachtsübungen 
abgehalten, in den kleineren wird auf die geistl. 
Versorgung der Gef. nach Möglichkeit Bedacht ge- 
nommen. Am Gottesdienst und an Andachts- 
übungen nehmen alle Gefsf. teil. Gegenüber 
Festungsgef. findet kein Zwang zur Teilnahme 
statt. Zur Teilnahme an den kirchlichen Heils- 
mitteln wird kein Gef. gezwungen. — Unter- 
richt. Die Gef. der Anst. für Jugendliche er- 
halten U. in den Lehrgegenständen der Volkschule. 
Für erwachsene Zuchthaus= und GefSträfl. unter 
30 J., die eine Str. von mehr als 3 M. verbüßen, 
wird ebenso gesorgt, soweit sie des Unterrichts noch 
 
	        
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