Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

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wenn das OLG. bei der Auslegung einer das 
Grundbuchrecht betr. reichsges. Vorschr. von der 
auf weitere Beschwerde ergangenen Entsch. eines 
anderen OL., falls aber über die Rechtsfrage be- 
reits eine Entsch, des RG. ergangen ist, von dieser 
abweichen will und zu diesem Behufe die weitere 
Beschw. dem RG. vorlegt. Die Ge. stehen unter 
her Dienstaufsicht der Amts G., der LG. und des 
OL.; an oberster Stelle übt die Dienstaufsicht 
das Min Just. aus. Haidlen. 
Grundlastenablsung. Der bäuerl. Grundbesitz 
in W. hatte bis ins 19. Jahrh. starke, die wirt- 
schaftliche Entwicklung hemmende Lasten zu tragen 
als Ausfluß der (öff.-rechtl.) Gerichtsgewalt 
und der (privatrechtl.) Leib= und Grund- 
herrschaft. Der Gerichtsherr forderte Gefälle 
und steuerartige Leistungen (Beeden, Kellerei- 
steuern u. dgl.), ferner Fronen (Hand= und Spann- 
fronen). Die Leibeigenschaft und das Lehens- 
verhältnis äußerten sich vorwiegend in der Ver- 
pflichtung zu Abgaben aller Art, wozu auch der 
bes. drückend empfundene Zehnt von allen Boden- 
erzeugnissen gehörte. Die Beseitigung dieser 
Lasten, erstmals angeregt durch den Landtag von 
1797, setzte ein mit den K. Edikten von 1817, welche 
die Aufhebung der persönl. Leibeigenschaft und die 
Ablösung des Lehensverbands unter gewissen Vor- 
aussetzungen anordneten. Der Widerstand der ge- 
schädigten Berechtigten verzögerte die Turch- 
führung der Reformen. Einen bedeutsamen Fort- 
schritt stellten die Ges. v. 27.—29. 10. 1836 dar, 
welche die leibeigenschaftlichen Lasten, 
die Fronen und die steuerartigen Ge- 
fälle gegen Entschädigung der Berechtigten ab- 
lösten unter Bereitstellung erheblicher Zuschüsse 
der Staatskasse. Die Ablösung der aus der 
Grundherrschaft entspringenden 
Lasten verfügte das Ges. 14. 4. 1848, dem ein 
Vahr nachher ein solches über die Ablösung des 
ehnts nachfolgte. Alle diese Maßnahmen be- 
gegneten, hauptsächlich wegen des niederen Ab- 
lösungsmaßstabs, dem hartnäckigen Widerstand der 
Berechtigten (Adel, Kirchen= und Stiftungsbeh.), 
vor allem der Standesherren, die eine mehrfache 
Einsprache der deutschen Bundesversammlung er- 
reichten. Einen gewissen Ausgleich der geschädigten 
Interessen brachte das nach mehrfachen Versuchen 
am 19. 4. 1865 zustand gekommene sog. Kom- 
plexlastengesetz, das die auf dem Bezug von 
Gefällen und Zehnten, teils allein, teils in Ver- 
bindung mit andern, zu einem rechtlichen Ganzen 
verbundenen Vermögensgegenständen (Vermögens- 
komplexen) ruhenden privatrechtl. Leistungen für 
öff. Zwecke der Kirche, Schule und Gde gegen Ent- 
schädigung ablöste. Den Abschluß der ganzen 
Agrarreform bildete die Ablösung aller auf 
fremden Grundstücken lastenden privatrechtl. 
Weiderechte u. and. Kulturbeschränkungen, 
sowie der auf Waldungen ruhenden Weide-, 
Gräserei= und Streurechte durch das G. 
26. 8. 1873. — Die Grundentlastung ist heute in 
der Hauptsache beendigt. Noch nicht vollständig 
durchgeführt ist nur noch die Komplexlasten- 
ablösung, da noch in 84 Ole. derart. Lasten, vor- 
Grundlastenablösung — Grund-, Gebäude= und Gewerbesteuer. 
wiegend Baulasten bestehen, deren Ablösung erst 
beim Anfall von pflichtigen Neubauten in Flu 
zu kommen pflegt. Bis zum 1. Jan. 1914 
11 840 Zehntablösungen mit einem Ablösungs- 
kapital von 83 351 403 4, 11 545 Gefällablösungen 
mit einem Ablösungskapital von 21 865 876 4K, 333 
Baurechtsablösungen mit einem Ablösungskapital 
von 475 304 4, 2627 Komplexlastenablösungen mit 
einem Ablösungskapital von 10 326 104 durch- 
geführt worden. 5 Fälle letzterer Art befanden sich 
zu dem genannten Zeitpunkt in Behandlung. — 
Die hauptsächlich von den OAe. und bes. Kom- 
missären besorgte Durchführung der Ablösungs- 
gesetze hat seit 1836 die Ablösungskommis-. 
sion, eine dem Min J. unterstellte Zentralstelle, 
zu überwachen. Streitigkeiten entscheidet sie als 
Verwaltungsgericht 1. Instanz; 2. Instanz ist der 
Verwaltungsgerichtshof, (. d. Haller. 
Grundlisten, militärische, s. Ersatzwesen V. 
Grund= oder Freiheitsrechte. Ueber den Begriff 
s. öff. Rechte. Die w. VlU. zählt die Grundrechte 
der Württemberger, die sie als Ausfluß des w. 
Staatsbürgerrechts behandelt, in § 21—32, 86—88 
auf: 1. Gleichheit der staatsbürgerl. Rechte und 
Pflichten, insbes. Verbot des Ausschlusses von 
einem Staatsamt wegen Geburt, 2. gleicher ver- 
fassungsmäßiger Gehorsam, 3. gleiche Wehrpflicht, 
4. Freiheit der Person, insbes. Aufhebung der 
Leibeigenschaft und rechtmäßiges Strafverfahren, 
5. Gewissensfreiheit, 6. Denkfreiheit, insbes. Frei- 
heit der Presse und des Buchhandels, 7. Freiheit 
des Eigentums, 8. Auswanderungsfreiheit, 9. Frei- 
heit in der Wahl des Berufs und der Ausbildung 
zu dems., 10. Recht der Beschwerdeführung bei den 
vorgesetzten Staatsbeh. und den Ständen. Nicht 
erwähnt in der Vl. sind Vereins- und Versamm- 
lungsrecht, Petitionsrecht und Verehelichungsfrei- 
heit. Die meisten dieser GR. sind jetzt durch die 
Reichsgesetzgebung gewährleistet. Vgl. im übr. die 
einschlägigen Artikel. — Die Gz. hat nach der w. 
Vlu. nur der Württemberger. Nach Art. 8 RV. 
(gemeinsames Indigenat) stehen sie jedoch auch 
allen übr. D. zu. Tatsächlich werden aber die 
GR. auch dem Reichsausl. während seines Auf- 
enthalts im Inland zuerkannt. Bazille. 
Grundschnur s. Angelfischerei. 
Grund--, Gebäude= und Gewerbesteuer. 1x I. Ueber- 
blick. 1 Die Grdst., die Gbdest. und die Gewst. oder 
wie sie mit einem Namen bezeichnet werden, die 
Katastersteuern, nach G. 28. 4. 73/8. 8. 03, Rgbl. 
344, gehören zu den direkt. St., und zwar zur 
Unterabteilung der Ertrags= oder Objektst. Eine 
Ertragsst. wird in ihrer reinen Form entrichtet 
nach dem Maßstab des durchschnittlich möglichen, 
des von jedem wirtschaftenden Menschen unter 
gewöhnl. Verhältnissen erreichbaren Ertrags einer 
sachlichen Erwerbsquelle. Im Wesen der Ertrags- 
(Objekt-sst. liegt es, daß man die St. da holt, wo 
man den Ertrag findet, und auf die Pers., die dar- 
aus ihr Einkommen ziehen, keine Rücksicht nimmt. 
Hieraus ergibt sich grundsätzlich die Nichtabzugs- 
fähigkeit der Schuldginsen bei den Einschätzungen, 
die Nichtzulassung eines Existenzminimums, die 
Nichtberücksichtigung pers. Verhältnisse. Die Kat.=
	        
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