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Rechtsanwaltschaft — Rechtsmittel.
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Menschen gegeben nicht als ein Sollen, sondern ruhigen, wie die Tausende von unwidersprochenen
als ein Können, selbst auf die Gefahr hin eines Zahlungsbefehlen alljährlich beweisen. Es wäre
möglichen Mißbrauchs. Der freie Gebrauch oder also ein ungerechtfertigter, vom Publikum selbst
Nichtgebrauch des Rechts untersteht selbstverständ= als lästig empfundener Aufwand an Zeit und
lich mit all seinen Umständen dem Sittengesetz
und soll nach der Absicht des Gebers stets ein
Kosten (Beamtenpersonal), wenn stets eine wieder-
holte Untersuchung stattfinden müßte; aber auf
vernünftiger sein. Dafür ist daher der Träger ihren Antrag muß durch Rechtsmittel die Möglich-
des Rechts in jedem einzelnen Fall dem höchsten
Gesetzgeber verantwortlich. Unter Menschen kann
es aber immerhin geschehen, daß eine Handlung
sich auf ein wirkliches Recht stützt und sich ganz
innerhalb der strengen Grenzen desselben bewegt,
anderseits aber gleichwohl durchaus verwerflich ist.
Sie kann z. B., ohne objektiv ungerecht zu werden,
unter Umständen doch eine empörende Verletzung
der schuldigen Liebe sein. Das Recht an sich, das
hier zur Verwendung kommt, bleibt offenbar un-
berührt; der vernunftwidrige Gebrauch aber fällt
ganz dem Träger des Rechts zur Last. — Lite-
ratur s. unter Naturrecht und Rechtsphilosophie
(Bd III, Sp. 1292 ff). Man vgl. ferner noch
Führich, Rechtssubjekt und Kirchenrecht. I. Tl:
Was ist Recht? (1908).
ITh. Meyer S. J., rev. Cathrein 8. J.)
Rechtsanwaltschaft s. Advokatur.
Rechtsmittel. (Übersicht. Ausgestaltung
im Zivilprozeß, als Ausgangspunkt. Rechtsmittel
im Strafverfahren. Rechtsmittel im Verwaltungs-
recht. Rechtsmittel im Kirchenrecht.)
1. Ubersicht. Rechtsmittel sind Hilfsmittel,
welche das Recht zur Beseitigung einer ihr benach-
teiligenden Verfügung einer Behörde dem Ver-
letzten gewährt. Der Begriff hat sich im Prozeß-
verfahren entwickelt und ist von diesem aus in dem
kanonischen Recht auf das Disziplinarverfahren
sowie in dem öffentlichen Recht auf das Beschluß-
und Streitverfahren übertragen worden. Mangels
eines Instanzenzugs waren dem älteren römischen
und dem germanischen Recht Rechtsmittel unbe-
kannt; die dem germanischen Recht bekannte
Urteilsschelte bezweckte nicht die Nachprüfung,
sondern die Verhinderung des Urteils. Im Pro-
zeß der römischen Kaiserzeit bildete sich die
Appellation gegen die Endurteile aus, die vom
romanisch-kanonischen Prozeß auf alle richterlichen
Verfügungen ausgedehnt und erst später wieder auf
die Endurteile sowie die der Rechtskraft fähigen
Zwischenurteile eingeschränkt worden ist. Im
gemeinen Prozeß entwickelte sich eine Mehrheit
von Rechtemitteln, die nach ihrer Voraussetzung
und nach ihrer Richtung verschieden waren. Für
die richtige Beurteilung des Rechtsmittelsystems
ist die Beantwortung der Frage entscheidend, ob
das Urteil unter allen Umständen dem materiellen
Recht entsprechen muß, oder ob es für das Ge-
meinwohl genügt, daß nach einer mehr oder
weniger eingehenden Verhandlung der Streitpunkt
überhaupt in einer die Parteien bindenden Weise
entschieden wird. In vielen Fällen werden sich
ja die Parteien sogar ohne kontradiktorische Er-
örterung bei dem ersten behördlichen Ausspruch be-
keit zu einer nochmaligen Verhandlung und Be-
weiserhebung eröffnet werden.
Rechtsmittel und Rechtskraft sind korrelate Be-
griffe: eine Entscheidung ist soweit rechtskräftig,
als sie nicht durch (ordentliche) Rechtsmittel ange-
fochten werden kann, und umgekehrt. Für die
prozeßpolitische Konstruktion der Rechtsmittel
eignet sich daher die Tragweite der Rechtskraft als
Ausgangspunkt. Man unterscheidet formelle und
materielle Rechtskraft; erstere bedeutet die Unan=
fechtbarkeit der Entscheidung von seiten der Par-
teien (externe) oder von seiten des Gerichts bzw.
des Staats (interne Rechtskraft), während man
unter materieller Rechtskraft einer Entscheidung
deren Einfluß auf den streitigen Anspruch versteht,
insofern die Entscheidung nunmehr bald nur
unter den ursprünglichen Parteien (relative), bald
gegenüber allen Staatsangehörigen (absolute
Rechtskraft) als formelle Wahrheit gilt, nicht in
dem Sinn, als ob nun konstitutiv eine neue Rechts-
grundlage, ein neuer Anspruch geschaffen wäre,
ondern im deklarativen Sinn, wonach der ur-
sprüngliche Anspruch nun rückwirkend als so be-
chaffen gilt, wie es das Urteil ausspricht. Diese
materielle Rechtskraft äußert sich in doppelter
Richtung: positiv, indem der zuerkannte Anspruch
nicht mehr bestritten werden kann, und negativ,
indem die neuerliche Geltendmachung des einmal
aberkannten Anspruchs ausgeschlossen ist (ne bis
in idem). Im Anschluß an die eigenartige
römische Rechtsentwicklung bedarf es auch nach
heutigem gemeinen Recht der exceptio rei iudi-
catae, b. h. der ausdrücklichen Berufung auf das
frühere Urteil, damit der Richter diese Wirkungen
der Rechtskraft im späteren Prozeß berücksichtigen
darf, während die staatsrechtliche Autorität eines
Richterspruchs doch erheischt, daß von Amts wegen
(ipso iure) die nochmalige Erörterung eines rechts-
kräftig entschiedenen Streits abgelehnt werde. Je
nachdem nun die Wirkung der Rechtskraft in
diesen Richtungen positiv ausgestaltet wird, muß
auch die Befugnis, dieser Wirkung durch Rechts-
mittel vorzubeugen, in weiteren oder engeren
Grenzen gegeben werden. Hieraus folgt z. B., daß
(entsprechend dem geringen Staatsinteresse) die
zivilrechtlichen Urteile nur unter den ursprünglichen
Prozeßparteien und deren Rechtsfolgern wirken,
also auch nur von diesen durch Rechtsmittel an-
gefochten werden können, während bei solchen
öffentlich-rechtlichen (verwaltungsrechtlichen) Ent-
scheidungen, welche naturgemäß für einen größeren
Personenkreis maßgebend sein sollen (z. B. die
Wegbaupflicht einer Gemeinde, das Wasser-
benutzungsrecht sämtlicher Angrenzer), Vorsorge