Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

Irrenfürsorge. 
Angehörigen, dem Gde Rat und, wenn tunlich, dem 
Kr. selbst zuzustellen. Die Entlassung der Ein- 
gewiesenen ist nur mit Zustimmung der Kreisreg. 
zulässig, gegebenenfalls von der Direktion zu be- 
antragen. Wenigstens einmal jährlich hat die 
Kreisreg. Gutachten über die Eingewiesenen ein- 
zufordern. — Angemessene Krankenbehandlung 
wird durch die statutarischen Vorschr. gesichert. 
Bes. Dienstvorschr. regeln Obliegenheiten und Be- 
fugnisse aller Angestellten. — II. Privatirren- 
anstalten find konzessionsbedürftig; ihr Betrieb 
und ihre Ueberwachung bestimmen sich nach der 
Min JV. 18. 11. 99, Robl. 983, die Vorschr. gibt 
über bauliche Anforderungen, ärztliche Versor- 
gung, Behandlung und Verpflegung. Bei mehr als 
50 Betten ist ärztliche Leitung der Anstalt er- 
forderlich; auf 1 Arzt sollen nicht mehr als 100 
Kranke kommen. Die Best. über Aufnahme und 
Entlassung schließen sich an die für die K. Heilanst. 
gültigen an. Eintritt und Todesfälle sind auch dem 
OAlrzt des Bez., worin die Anst. gelegen ist, anzu- 
zeigen, damit dieser die Rechtmäßigkeit der Auf- 
nahmen und die Todesursachen sofort nachprüfen 
kann. In den schon genannten Privatirrenanst. 
finden auch „Staatspfleglinge“, d. h. Kr., zu deren 
Verpflegungskosten staatliche Zuschüsse geleistet 
werden, Aufnahme. Außer ihnen steht noch Ken- 
nenburg unter ärztlicher Leitung. Zwei kleinere 
Privatanst. ohne solche find nur zur Aufnahme 
unheilbarer Pfleglinge ermächtigt. — Außer vom 
Med Koll. werden die Privatirrenanst. zweimal 
jährlich vom zuständigen O#rzt einer Visitation 
unterzogen an der Hand der Dienstanweisung 
26. 3. 96, Rabl. 73. — III. Angemess. Fürsorge 
für Geisteskr. außerh. der Anst. wird 
angestrebt durch die Min JV. 15. 7. 36, Rgbl. 279, 
Med Koll Erl. 20. 1. 71, u. Min V. 4. 7. 72, 
Rgbl. 237. Wird dort OMorstehern, den Bez.= 
PolBeh. und dem O#hysikat die Unterbringung 
der Geisteskranken in den für sie bestimmten Anst. 
dringend nahe gelegt, so empfiehlt ein MErl. 
6. 2. 10 wieder mehr die Benützung der nach 
MErl. 21. 1. 53 in den einzelnen Ole. einzurich- 
tenden Bezirksirrenlokalen, indem er zugleich für 
größere Krankenhäuser die Anstellung von Ae. und 
Pflegepersonen wünscht, die in der Irrenpflege 
geschult sind. Ueber eine eigene Irrenabteilung 
verfügt bisher nur das Stuttgarter Bürger- 
hospital; dessen Statut s. Med KorrBl. 1897 258. 
— Bei Ueberführung von Kr. in die Irrenanst. 
find die Vorschr. des MErl. 18. 4. 99 zu beachten; 
nach denselben ist weiblichen Kr. weibl. Begleitung 
mitzugeben und dürfen Zwangsmaßregeln nur auf 
schriftlichen Ausweis eines Arztes angewandt wer- 
den. — IV. Schwachsinnige und Epilep- 
tische, s. d., bleiben meist außerhalb der staatl. 
Irrenfürsorge. Zu ihrer Unterbring. dienen 9 Anst., 
die sich vorzugsw. auf private Wohltätigkeit stützen 
und die Schwachsinn Abteilungen bei den 4 Land- 
armenanstalten. Nur die Heilanstalt Stetten i. R. 
wird ärztlich geleitet. Min JV. 18. 3. 96, Rgbl. 58, 
gibt für diese Fürsorge ähnliche Vorschr. wie für 
die Privatirrenanstalten. — V. Im Rahmen des 
Medizinalberichts für das Kgr. W. werden über 
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die gesamte bisher genannte Fürsorge regelmäßig 
ausführliche Mitteilungen veröffentlicht. Am 
1. 1. 12 waren in den Staats= und Privatirren- 
anstalten des Landes 4176 Pfleglinge = 1: 584 
Einwohnern untergebracht; ihre Anzahl steigt 
mehr an als die Bevölkerungsziffer. — VI. Eine 
Ergänzung der allg. Irrenfürsorge bilden die 
Klinik für Gemüts= und Nerven- 
kranke in Tübingen, die als vorzugsweise Unter- 
richtsanstalt dem Kult Min. unterstellt ist, und die 
Irrenabt. der Inv StrafAnst. auf Hohenasperg, . d., 
MV. 11. 1. 03, Rgbl. 9. — VII. Freiw. Fürsorge 
nach dem Austritt aus den Anstalten, sowie für 
Angehörige von Geisteskranken leistet der Hilfs- 
verein für rekonvaleszente Geisteskranke in W. — 
# B. Rechtliche Fürsorge 1 für Geistesgestörte 
wird geschaffen durch Ausnahmebestimmungen der 
allg. Rechtsges., weil diese zunächst die geistige Ge- 
sundheit voraussetzen. — I. Geschäfts- 
un fähig ist nach § 104, 2 u. 8 BG#B., wer sich 
in einem die freie Willensbestimmung aus- 
schließenden Zustande krankhafter Störung der 
Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand 
seiner Natur nach ein vorübergehender ist und wer 
wegen Geisteskrankheit entmündigt ist. Auch ohne 
Entmündigung sind daher die Willenserklärungen 
eines nachweisbar Geisteskr. nichtig (BG#B. § 105) 
und die ihm gegenüber abgegebenen Willenserklä- 
rungen werden erst wirksam, wenn sie seinem ges. 
Vertreter zugehen, BSB § 131. — Wer infolge 
von Geisteskrankheit oder von Geistesschwäche seine 
Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag, kann 
entmündigt werden, BG., § 6, 1. Er er- 
hält alsdann einen Vormund, BG. § 1896, der 
nach § 1901 für die Person des Mündels nur in 
so weit zu soingen hat, als es der Zweck der Vor- 
mundschaft eeorderl. Macht die Entmündigung 
wegen Geisteskrankheit geschäftsunfähig, so be- 
schränkt E. wegen Geistesschwäche nur die Ge- 
schäftsfähigkeit, indem sie den so Entmündigten 
einem Minderzj., der das 7. Lebensj. vollendet hat, 
gleichstellt. Gestattet sind ihm selbständige Rechts- 
geschäfte, die ihm lediglich rechtlichen Vorteil 
bringen, für andere ist er an die Zustimmung des 
Vormunds oder auch des Vormundschaftsgerichts 
gebunden. Ist die Entmündigung beantragt, so 
kann, wenn Gefahr im Verzug liegt, vorläufige 
Vormundschaft angeordnet werden, BGB. § 1906 
bis 1908. — Die Entmündigung ist wieder aufzu- 
heben, wenn der Grund dazu in Wepfall gekom- 
men ist, BGB. § 6. — Die Entmündigung erfolgt 
durch Beschluß des Amtsgerichts, ZPrO. 8 645; 
antragsberechtigt sind die nächsten Angehörigen 
und die Staatsanwaltschaft, § 646. Im Verfahren 
ist dem zu Entmündigenden Gelegenheit zur Be- 
zeichnung von Beweismitteln zu geben, § 653, und 
ist er, wenn irgend möglich, persönlich zu ver- 
nehmen unter Zuziehung eines ärztlichen Sach- 
verständigen, § 654, 655; mit Zustimmung des 
Antragstellers kann auch Beobachtung in einer 
Heilanstalt für höchstens 6 Wochen angeordnet 
werden, § 656. Einem wegen Geistesschwäche Ent- 
mündigten ist der betr. Gerichtsbeschluß selbst zu- 
zustellen, § 660. Sofortige Beschwerde ist zulässig,
	        
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