Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

Angestelltenversicherung. 
herrscht, auf einem für den Vers. möglichst be- 
quemen, billigen und — unbeschadet der Rechts- 
garantien eines ausgiebigen Instanzenzugs — 
möglichst raschen Weg von Amts wegen die 
materielle Wahrheit festzustellen. Es begründet 
nicht wie im Zivilprozeß der Vohsit des Be- 
klagten, sondern der Wohn= oder Beschäftigungs- 
ort des Vers. wahlweise die örtliche Zuständigkeit 
der entscheidenden Stelle, § 230. Solang allerdings 
nur ein Ktf. mit Sitz in Berlin vorhanden ist, 
kommt disser Vorzug nicht zur Geltung. Alle 
behördl. erhandlungen, Urkunden, Bescheini- 
gungen und Beglaubigungen haben gebühren= und 
ftempelfrei zu erfolgen, § 337, 338. Die Kosten des 
Verfahrens werden den Antragstellern im allg. 
nur insoweit auferlegt, als sie durch deren Mut- 
willen, Verschleppung oder Irreführung erwachsen 
find. Für das Erscheinen zur mündlichen Ver- 
handlung erhält der Antragsteller, u. U. auch im 
Fall seines Unterliegens, in weitgehendem Maß 
Vergütung für bare Auslagen und Zeitverluft, 
§5 261; unter gewisser Voraussetzung werden ihm 
sogar die Kosten eines Vertreters ohne Rückficht 
auf den Ausgang seines Streits zugebilligt, § 29 
RA. Unter Ausschaltung des Prozeßbetriebs 
durch die Parteien hat die entscheidende Stelle die 
Vorbereitung und Durchführung der Verhandlung 
und Entscheidung pflichtmäßig zu beschleunigen. 
Klageänderungen und das Vorbringen neuer Tat- 
sachen sind, wenigstens in der Feststellungs= und 
Ausfertigungsinstanz in weitem Maß zulässig. 
Auch die Gewährung vorläufiger Leistungen kann 
sowohl von den höheren Instanzen, 8§ 278, 293, 
als vom Vers Träger, § 93, 64, verfügt werden, wo 
rasche Hilfe nötig ist. An Stelle der den Zivil- 
prozeß beherrschenden Verhandlungsmaxime tritt 
das mit der Offizialmaxime verbundene Unter- 
suchungsprinzip. Die entscheidende Beh., oder viel- 
mehr — im Interesse der Beschleunigung — ihr 
Vorsitzender sorgt für die Ergänzung eines etwa 
unvollständig oder unklar gestellten Antrags (§ 16 
R.) und verlangt alle Akten und Vorgänge, die 
sich auf den Vers. beziehen, vom Vers Träger ein, 
§ 26 RAO. Der Vors. bereitet die Sache zur 
mündlichen Verhandlung vor und kann vor der 
mündl. Verhandlung Beweis erheben. Er kann 
nach eigenem Ermessen Augenschein einnehmen, 
Zeugen und Sachverständige, auch eidlich, ver- 
nehmen, Gutachten von Aerzten und amtl. Aus- 
künfte jeder Art ginhlen. § 252, val. mit § 241. 
Er bestimmt die Verhandlungszeit und ordnet das 
Erscheinen der Zeugen und Sachpverstädigen, bes. 
aber auch, soweit erforderlich, des Antragstellers 
selbst an, § 252. Eine Folge des Untersuchungs- 
prinzips ist, daß die Beweislast unter den Parteien 
so gut wie keine Rolle spielt. Der Grundsatz der 
freien Beweiswürdigung gilt fast unbeschränkt, 
§ 839 RAO. Durch Mitteilung der Parteischriftsätze, 
§* 22 RA, Benachrichtigung von den Beweis- 
verhandlungen, § 241 Abs. 3, und deren Ergebnis, 
§* 38 RAO., sowie durch den Vortrag der Akten in 
der mündl. Verhandlung ist für das wechselseitige 
Gehör der Parteien und deren Orientierung über 
das Prozeßmaterial Sorge getragen. Die Entschei- 
  
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dung selbst erfolgt stets durch förmlichen Bescheid. 
In weniger wichtigen Feststellungssachen (bei 
Altersruhegeld, Leibrente, Hinterbliebenenrente, 
Abfindung, Erstattung oder wenn nur die Höhe 
des Ruhegelds bzw. der Rente oder der Zeitpunkt 
ihres Wegfalls in Frage steht), oder wenn zwischen 
Vers Träger und Vers. Uebereinstimmung besteht, 
oder wenn es sich lediglich um die Erfüllung der 
Wartezeit handelt, kann der Vors. des RtM. allein, 
ohne mündl. Verhandlung, entscheiden, § 240 
A#0, § 14 RA. Gleiches gilt bezüglich der Ent- 
scheidung über das Ruhen, § 73—78, der Einstel- 
lung, § 38—40, 72, und der Kürzung (§ 95) von 
Leistungen, § 269. Bei Feststellung von Ruhegeld 
wegen Berufsunfähigkeit, bei Entziehung dess. 
wegen Wiedereintritts der Verufsfähigkeit und in 
einigen andern in § 14 RA. bestimmten Fällen 
muß öff. mündl. Verhandlung unter Beiziehung 
von Vessitzern stattfinden. Im übrigen überläßt es 
15 RAO. dem Ermessen des Vors., ob er mündl. 
erhandlung mit oder ohne Zuziehung von Bei- 
sitzern anordnen will. Findet eine mündl. Ver- 
andlung statt, so erfolgt zunächst der Vortrag des 
achverhalts aus den Akten, demnächst sind die er- 
schienenen Beteiligten zu hören. Der Vors. hat das 
Sach= und Streitverhältnis mit ihnen zu erörtern 
und dahin zu wirken, daß sie über alle erheblichen 
Tatsachen sich vollständig erklären, sowie die an- 
emessenen sachdienlichen Anträge stellen. Den 
eisitzern wird Gelegenheit gegeben, an die er- 
schienenen Parteien, Zeugen usw. Fragen zu 
stellen, 5 53 RAO. Die Entscheidungen, die auf 
Grund mündl. Verhandlung ergehen, werden 
regelmäßig öff. verkündet. Alle Entscheidungen 
werden schriftlich abgefaßt, soweit sie durch ein 
Rechtsmittel anfechtbar sind, stets mit Gründen 
und Rechtsmittelbelehrung versehen und den Be- 
teiligten in Ausfertigung zugestellt, § 42, 48 RA. 
— Gegen die Bescheide des Ri A. ist das # Rechts- 
mittel der Berufung # an das Sch G. zulössig, 
§ 270. Dieselbe ist binnen 1 Mon. nach der Zu- 
stellung der angefochtenen Entscheidung einzulegen. 
Erfolgt die Einlegung bei der unrichtigen Stelle, 
so hat diese die Rechtsmittelschrift unverzüglich 
an die zuständige Stelle abzugeben, § 328, 329. 
Die Entscheibung erfolgt stets auf Grund öff. 
mündl. Verhandlung, sofern die Anrufung nicht 
als verspätet oder unzulässig vom Vors. zurück- 
zuweisen ist, § 271, 278. Zur mündl. Verhandlung 
ind je 2 Vers Vertreter der Arbeitg. und der vers. 
ng. zuzuziehen; jedoch genügt beim Nicht- 
erscheinen eines Beisitzers zur Beschlußfähigkeit 
je 1 Vertreter beider Gruppen, § 273, 276. Für 
das Verfahren gelten im allg. die Vorschr. über 
das Verfahren vor dem Ktül. entsprechend, § 274. 
Die Berufung bewirkt Aufschub, wenn sie von der 
RAnst. eingelegt wird, soweit es sich um Beträge 
handelt, die für die Zeit vor Erlaß des angefochte- 
nen Bescheids nachbezahlt werden sollen und wenn 
es sich um Ersatz= und Erstattungsansprüche han- 
delt, § 277. Gegen die Urteile der Sch G. ist binnen 
1 Mon. nach der Zustellung # Revision 1 an das 
OSch G. zulässig. Sie kann nur darauf gestützt 
werden, daß 1. das angefochtene Urteil auf der 
  
  
  
 
	        
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