Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

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gesteigert, aber auch durch rohe und unsachgemäße 
Behandlung der Tiere sehr vermindert werden. 
Die Fettabsonderung scheint während der Nacht- 
ruhe nicht mit der gleichen Lebhaftigkeit vor sich 
zu gehen wie bei Tag. Die Abendmilch ist daher 
gewöhnlich auch dann etwas reicher an Trockensubst. 
und Fett als Morgen M., wenn der Zeitabstand 
zwischen beiden Melkungen gleich groß ist. — 
Nicht einmal die M., die während eines Ge- 
melkes gewonnen wird, hat gleiche Zusammen- 
setzung. Die zuletzt gemolkene M. ist stets sehr 
viel reicher an Trockensubst. und Fett, dagegen 
ärmer an Bakterien als die bei Beginn des Melk. 
gewonnene. Die zuletzt, nachdem das Euter schon 
leer zu sein scheint, noch herausgepreßten M.= 
Tröpfschen haben eine rahmähnliche Zusammen- 
setzung; dagegen sollten die ersten MStrahlen im 
Eimer gar nicht aufgefangen, sondern beim Melk. 
auf den Boden entleert werden. In einem Fall 
lieferte eine Kuh beim Beginn des Melkens M. 
von 1,7 v. H., am Ende desselben solche von 
4,08 v. H. Fett, während das Gesamtgemelke 
2,55 v. H. Fett enthielt. Der Mehraufwand von 
  
Zeit und Kraft für ein recht gründliches Aus- 
melken macht sich somit sehr gut bezahlt. — 
Auch der Einfluß von Bewegung und 
Arbeit ist von nicht zu unterschätzender Be- 
deutung. Freie Bewegung auf der Weide oder 
leichte Arbeit (z. B. das Grünfutterholen während 
der Vegetation) wirkt anregend auf Atmung, 
Appetit, Verdauung, Stoffwechsel und Blut- 
kreislauf, somit auch auf Menge und Beschaffen- 
heit der M. günstig. Eine etwas ausgiebigere 
Bewegung führt durch Wasserverdunstung zu einer 
kleinen Verminderung der MMenge unter gleich- 
zeitiger prozentischer Erhöhung von Trockensubst., 
Protein und Fett, so daß die absolute Menge an 
wertvollen Mestandteilen gleich bleibt. Nur sehr 
lange Arbeitszeit ohne Einhaltung der für Kühe 
durchaus nötigen Ruhepausen oder starke Be- 
lastung beeinträchtigt die Mildung sowohl be- 
züglich der Menge als namentlich ihres Fett- 
gehalts. U. U. bildet sich dann M., die sich weder 
zur direkten Ernährung des Menschen oder Kalbes 
noch zur Bereitung von Käse eignet. Kühe leiden 
namentlich dann von harter Arbeit, wenn diese bei 
großer Hitze und Gewitterschwüle oder anderer- 
seits bei kaltem Regen oder scharfen Ostwinden 
verrichtet werden muß. Infolge größerer Wärme- 
verluste durch Ausstrahlung und Leitung (auch 
durch den Aufenthalt in kalten, zugigen Stal- 
lungen und Liegen auf nasser Streu) muß ein 
großer Teil des Futters anstatt zu produktiven 
Zwecken als Heizmaterial verwendet werden, wo- 
durch sich der Fettgehalt der M. oft ganz plötzlich 
und recht erheblich vermindert. Alle ungünstigen 
Temperatur= und Witterungseinflüsse beeinträch- 
tigen die MAbsonderung umsomehr, je verweich- 
lichter die Tiere durch langen Aufenthalt im 
dumpfigen Stall sind, je feiner, tätiger und emp- 
findlicher die Haut und je schwächer die Behaarung 
ist. — Endlich steht die M Absonderung in einer ge- 
wissen Beziehung zum Lebensalter der Tiere. 
Ihre Menge steigt gewöhnlich bis zum 3., aus- 
Milchfehler. 
nahmsweise 6. Kalb (5.—8. Lebensjahr), hält sich 
einige Jahre auf gleicher Höhe und nimmt dann 
anfangs langsam, später rasch ab, bis das längere. 
Beibehalten der Kuh sich nicht mehr lohnt, da auch 
die Mastfähigkeit und die Schmackhaftigkeit des 
Fleisches bei höherem Lebensalter sich vermindert. 
In welchem Alter eine Muh das Futter nicht 
mehr bezahlt macht, ist, abgesehen von ihrer in- 
dividuellen Veranlagung, Gesundheit, Fütterung, 
Haltung, Pflege und Benützung, von der Rasse ab- 
hängig. Kühe der Allgäuer-, Angler-, Jersey= und 
einiger genügsamen d. Landrassen bleiben oft bis 
zum 16.—20. Lebensjahr milchergiebig. Die M 
alter Kühe ist aber bisweilen wesentlich ärmer an 
Trockensubstanz und Fett als in ihren jungen 
Jahren. — Da nicht nur die MMenge, sondern 
auch die Zusammensetzung der M. insbes. ihr Fett- 
gehalt von so vielen Umständen abhängig ist, wird 
man sich davor zu hüten haben, den Verdacht einer 
Merfälschung auszusprechen, wenn die Unter- 
suchung einer einz. Probe einen abnorm geringen 
Fettgehalt ergibt. Die meisten MFälschungen 
erfolgen in der Weise, daß der M. ein Teil ihres 
Fettes entzogen oder Wasser zugesetzt wird oder 
gleichzeitig beide Methoden angewendet werden. 
Bes. Vorsicht in dieser Beziehung ist nötig, wenn 
es sich nach dem spezifischen Gewicht oder der chemi- 
schen Analyse nur um eine kleine Fälschung (Zu- 
satz bis zu 10 v. H. Wasser oder Beseitigung bis 
zu 10 v. H. des natürlichen Fettgehalts) handeln. 
kann, da es bis jetzt kein Mittel gibt, einen kleinen 
künstlichen Wasserzusatz mit Sicherheit nachzu- 
weisen. S. auch Nahrungsmittel usw. 12. — 
Abgesehen von der Verwendung frischer, saurer 
und entrahmter M. zur direkten Ernährung von 
Menschen und Tieren werden die Bestandteile eines 
großen Prozentsatzes der gesamten Mroduktion 
in Deutschland zur Bereitung von Butter, (. d., 
und von Käse, s. d., kleinere Mengen auch zur Her- 
stellung von kondens. (eingedickter) M., Trocken M. 
(Mulver), Kefir, Kumys und Voghurt, s. d., ver- 
wendet. — Lit.: Lehrbuch der Milchwirtschaft von 
Schäfer-Sieglin. 8. Aufl. Eugen Ulmer, Stuttgart 
1908. Vgl. auch Milchfehler, Milchuntersuchung, 
Rahm. ieglin. 
Milchfehler (Milchkrankheit) heißt man 
solche abnorme Beschaffenheit tierischer M., , ohne 
daß die Kuh an einer bestimmten Krankkheit leidet, 
entweder während des Melkens oder bald nachher zu 
Tag tritt, meist die betr. Milch zum direkten Genuß 
durch Menschen untauglich macht u. mehr oder 
weniger empfindliche Störungen im Molkerei- 
betrieb nach sich zieht, indem auch ihre Produkte 
(Butter und Käse) unerwünschte Eigenschaften 
anzunehmen pflegen. M. können Farbe, Konfi= 
stenz, Geruch und Geschmack der Milch beeinflussen 
und sind, wie erst in den letzten Jahrzehnten fest- 
gestellt wurde, fast immer auf eine abnorme Bak- 
terienflora in der Milch zurückzuführen. Diese 
entsteht durch fehlerhafte Eutertätigkeit oder Un- 
reinlichkeit. Mindestens wird durch letztere die 
rasche Entwicklung und Vermehrung der Bakterien 
sehr begünstigt. M., namentlich Blau= und Rot- 
färbung der Milch, haben in den Hegxenprozessen
	        
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