Full text: Handwörterbuch der Württembergischen Verwaltung.

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Rücksicht auf die Schwierigkeit dieser Aufgabe 
manchmal sogar ganz untergeordnete und für den 
Geldwert sowie für die Verwendung der Milch 
bedeutungslose Beobachtungen herangezogen wer- 
den. So kann z. B. eine Fälschung durch Wasser- 
izusatz vermutet werden, wenn sich in derselben 
puren von Nitraten (Salpeter) nachweisen lassen, 
da solche in von Natur aus noch so wässeriger 
und fettarmer, aber reiner Milch nicht vorkommen, 
wohl aber in fast jedem Brunnenwasser. Die in 
der Praxis vielfach angewendete sogen. Nagel- 
und Stricknadelprobe zum Nachweis von Milch- 
E ist durchaus unzuverlässig. Ob ein 
(Milchtropfen seine runde Form beibehält, hängt 
weit weniger von seiner Trockensubstanz= und 
Fettmenge als von der Temperatur und seinem 
ehalt an schleimigen Stoffen ab. So besteht 
mit Wasser versetzte und teilweise entrahmte, aber 
stark abgekühlte sogen. fadenziehende Milch er- 
fahrungsgemäß die Nagelprobe recht wohl. Auch 
auf die Menge der Rahmausscheidung wird un- 
verdient großer Wert gelegt, da relativ große 
Fettkügelchen enthaltendc, in kaltem Raum auf- 
gestellte Milch schon nach wenigen Stunden eine 
SeselerR dicke, aber lockere Rahmschichte aus- 
scheidet, während die in warmem Raum gebildete 
Nahmschichte sich durch geringen Umfang, aber 
heaben Fettgehalt auszeichnet. Die warmen 
und doch weichen Fettkügelchen rücken enger 
zusammen und lassen zwischen sich weniger 
Hohlräume bestehen als kalte, außerdem geht die 
Wasserverdunstung ausschließlich auf Kosten der 
Rahmschichte vor sich. Noch weniger kann aus 
dem Resultat des Probebutterns ein sicherer 
Schluß auf den Fettgehalt der Milch gezogen 
werden, da die Butterausbeute von verschiedenen 
Umständen abhängt (s. Butter). Auch das mit 
Hilfe einer sogen. Milchwage (Aräometer) er- 
mittelte spezifische Gewicht kann schon deshalb 
nicht entscheidend sein, da aus Magermilch und 
Wasser ein Gemenge hergestellt werden kann, in 
das die Milchwage bis zum Teilschnitt „Vollmilch“ 
einsinkt. Wesentlich zuverlässigere Resultate er- 
zielt man durch die Benützung des Rahmmessers 
in Verbindung mit der Milchwage, da Vollmilch 
nach 24 Stunden um 0,02—0,03% (2—3 Grade 
der Milchwage) spezifisch schwerer sein muß, aber 
bei doppelter Milchfälschung diese Veränderung 
nicht eintreten kann. Der Grad der Entrahmung 
läßt sich auch mit dem Mikroskop kontrollieren. 
Wenig zuverlässig sind ferner alle optischen 
M Methoden und -Geräte wie das Pioskop von 
Hceren, der Milchspiegel von Heusner, die Lakto- 
stope von Mittelstraß und Feser usw., die alle 
sich auf die Annahme stützen, daß durch die Fett- 
kügelchen die Undurchsichtigkeit der Milch bedingt 
wird. Dies ist jedoch nur teilweise richtig. Auch 
andere Milchbestandteile beeinträchtigen das Ein- 
dringen der Lichtstrahlen in die Flüssigkeit; außer- 
dem fällt das Ergebnis der optischen Untersuchung 
bei 2 Milchproben von genau gleichem Fettgehalt 
recht verschieden aus, wenn in der einen Probe 
viele, aber sehr kleine, in der andern verhältnis- 
mäßig große, aber weniger Fettkügelchen umher- 
Weise ablenken. 
Milchuntersuchung. 
schwimmen. Somit ist im letzteren Fall das Ergeb- 
nis insofern viel zu ungünstig, als die größeren 
Fettkügelchen nicht nur rascher aufsteigen, sondern 
auch ein besseres Butterergebnis liefern als die 
kleinen Kügelchen mit geringer Auftriebskraft. 
Recht gut stimmen die Untersuchungsresultate mit 
Hilfe des Milchfettrefraktometers von Professor 
Dr, Wollney mit den analytischen überein. In 
diesem Apparat befinden sich 2 rechtwinklige 
Glasprismen, welche die Lichtstrahlen je nach der 
Konzentration der Aetherfettlösung in verschiedener 
Bei der Verwendung des von 
Marchand konstruierten und von Wagner ver- 
besserten Laktobutyrometers wird das erzielte 
Aetherfett quantitativ festgestellt, während das- 
selbe nach der Methode des Prof. Dr. Soxhlet 
mit Hilfe eines sehr feinen (aber auch recht leicht 
zerbrechlichen und kostspieligen) Aräometers auf 
sein spezifisches Gewicht untersucht wird. Recht 
befriedigende Resultate liefert der sehr zweckmesie. 
konstruierte und auch in der Hand einfacher Käser 
und Molker verwendbare Dr. Gerbersche Milch- 
prüfungsapparat. Man stellt aus leicht abzu- 
messenden 11 cc Milch, 10 cc Schwefelsäure und 
1 cc Amylalkohol eine Flüssigkeit her, die in ent- 
sprechend geformten Glasröhren tüchtig geschüttelt 
und dann einige Minuten zentrifugiert wird. 
Es scheidet sich hierauf das Fett so deutlich aus, 
daß an der gradierten Röhre der Fettgehalt der 
untersuchten Milchprobe direkt abgelesen werden 
kann. Da es in solchen Molkereien, welche die 
Magermilch dem Lieferanten zurückgeben, alle ein- 
gelieferte Vollmilch aber zum gleichen Preis und 
nicht nach ihrem Fettgehalt bezahlen, nicht selten 
vorkommt, daß diese durch Zusatz mit Magermilch 
verfälscht wird, so kann man solche Fälschung 
leicht und mit Sicherheit nachweisen, wenn man 
der Magermilch ohne Wissen der Lieferanten etwas 
Phenolphtaleinlösung und dann dem Gemenge von 
Voll= und Magermilch Alkali zusetzt. Soll die 
Vermischung von frischer mit gekochter bzw. auf 
80 Grad erhitzter Milch nachgewiesen werden, so 
empfiehlt sich die Reaktion mit Wasserstoffsuper- 
oxyd und Paraphenylendiamin. Ein Zusatz von 
Stärke zu gewässerter Milch kann durch einen 
Tropfen Jodtinktur leicht und sicher nachgewiesen 
werden. Es tritt dann sofort die charakteristische 
Blaufärbung ein. Die bakteriologische Milchunters. 
wird hauptsächl. zur Ermittlung von Krankheiten 
der Milch (s. Milchfehler) angewendet. Besondere 
Betonung verdient, daß die Art, wie die zu unter- 
suchende Milchprobe entnommen wird, von großem 
Einfluß auz das Prüfungsergebnis ist. Da 
schon nach kurzem Stehen der Milch in ihren 
oberen Schichten sich mehr Fett ansammelt und 
lentt eine Entmischung eintritt, müssen vor der 
robeentnahme die verschiedenen Schichten gründ- 
lich durcheinander gemengt werden. Ein Um- 
rühren der Milch in wagrechter Richtung etwa 
mit einem Stock genügt nicht. Am meisten emp- 
fiehlt sich mehrmaliges Hin= und Hergießen der 
ganzen Milchmenge von einem Gefäß in das 
andere oder langsames Aufrühren der Milch vom 
Boden des Gefäßes bis an die Oberfläche durch
	        
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