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wie möglich verhüten und ausgleichen; sie hat
einen vorbeugenden Charakter"“. In Vbdg
mit der l. W. stehen meist die Bestrebungen der
sog. „Heimatpflege'“, s. Natur= u. Heimat-
schutz. Die Heimatpflege will der urteilslosen,
schon eine bedenkliche Ausbreitung aufweisenden
Bewunderung u. Nachäffung alles dessen, was aus
der Stadt kommt, und der Unterschätzung alles des-
sen, was altes, heimisches, ländliches Sondergut ist,
entgegentreten u. dieses Sondergut in Sitte, Natur,
Bauart, Lebensgewohnheiten, Kleidung usw. er-
alten, damit aber nicht Abgestorbenes konservieren,
salten. Lebensvolles entwickeln und Entartetes
veredeln. — Die erste planmäßige, wissenschaftliche
Betreibung der l. W., wie sie auf Sohnrey zurück-
zuführen ist, ist zweifellos zunächst dem Bestreben
entsprungen, den bedenklichen Erscheinungen der
Landflucht einen Damm zu setzen. Von diesem
einseitigen Standpunkt ist man längst abgekom-
men. Wohl wird die l. W. immer noch mittelbar
dem Ziel dienstbar sein, dem unnatürlichen Maß
eines Abströmens der Bevölkerung aus den
Dörfern und der Landwirtschaft dadurch entgegen-
zutreten, daß man das Landleben den berechtigten
neueren Ansprüchen auf dem Gebiet der Gesund-
eitspflege, geistigen Anregung und Annehnmlich-
eit entsprechend besser gestaltet und andererseits
den Ertrag der beruflichen Arbeit durch geeignete
Mittel, insbes. durch rationellere Betriebsweise
steigert. Aber gerade diese Bestrebungen sind
immer mehr Selbstzweck geworden; sie gipfeln in
dem Ziel der materiellen und geistigen
Hebung unserer ländlichen Bevölkerung. Da-
mit sind wir auf den Inhalt, den Stoff der I. W.
gekommen. Die Gebiete, auf denen die W. tätig
sein kann, sind natürlicherweise nicht fest um-
enzt, vielmehr sind sie je dem Zeitbedürfnis ent-
prechend einem steten Wechsel unterworfen. Viele
orderungen der nachstehenden Einzelaufzählungen
sind schon mehr oder weniger erfüllt, müssen aber
des Zusammenhangs wegen und namentlich des-
halb genannt werden, weil die Schöpfungen noch
eines weiteren Ausbaus fähig find und weil für
fie das Interesse der Freunde der W. zu wecken
ift. Auf dem Gebiet des Erwerbslebens haben
von vornherein auszuscheiden einerseits alle Be-
strebungen berufstechnischer Art, andererseits alle
Forderungen der höheren Kreise (die W. will den
kleinen Leuten helfen, welche für sich allein und
vermöge des Maßes ihrer geistigen und materiellen
Kräfte nicht in der Lage sind, Fortschritte zu er-
zielen). — A. Aufgaben auf materiellem
und wirtschaftlichem Gebiet. 1 1. Wohnungs-
fürsorge, MV. über die Wohnungsaufsicht 21.
5. 01, Rgbl. 180; 18. 5. 07, Rgbl. 207, s. Wohn-
ungsaufsicht; mit ihr sollte verbunden sein die
Sorge für eine volkstümliche und einigermaßen
künstlerische Bauweise (hiefür dienen die Berat-
ungstelle für das Baugewerbe bei der Zentralst.
A. G. H. und der Landestechniker für das ländl.
auwesen bei der Zentralst. f. d. L.). — 2. Was-
erversorgung, s(. d. Hiefür besteht das
auamt für das öff. Wasserversorgungswesen.
Die Grundsätze für Staatsbeiträge sind enthalten
im MinI Abl. 07 201. — 3. Feuerlöschwesen,
Wohlfahrtspflege, ländliche.
s. d. — 4. Licht= und Kraftversorgung,
s. Ueberlandzentralen. Hiefür kommt heut-
zutage auf dem Land lediglich die elektr. Krast-
übertragung von größeren Werken in Frage; sie
wirkt schon nach den bisherigen Erfahrungen auch
in kleinen bäuerlichen Betrieben äußerft segens-
reich. Auskunft hierüber gibt der Sachverständige
für landw. Maschinenwesen, Bek. 12. 3. 09, Landw.
Woch Bl. Nr. 13. — 5. Krankenpflege. Die
dringend zu empfehlende Anstellung von ausgebil-
deten Krankenpflegerinnen kann je nach Verhält-
nissen und Bedürfnissen vom Bezirk, von der Gde
oder von bes. Vereinen aus geschehen (Beispiele für
die verschiedenen Systeme: Balingen, Herrenberg,
Mosbach und Weinsberg; vgt „Blätter für das
Armenwesen“, neuerdings Blätter der Zentral-
leitung für Wohltätigkeit, 1910 Nr. 48); eine
Spezialität ist die Wöchnerinnenpflege,
empfehlenswert bes. für Industriegegenden; auch
auf Stillstuben sei in diesem Zusammenhang
hingewiesen. Jede Krankenpflegerin sollte mit
einem Krankenpflege kasten („Charlotten-
pflegen") ausgestattet sein (Komitee-Schriftführer
ist Stadtpfarrer Gastpar in Wangen-Stuttgart).
Zur Förderung des Gesundheitswesens dienen auch
Kochkiste und Wanderkochkurse (eingef.
durch den Schwäb. Frauenverein in Stuttgart).
Endlich sei hier auf die dringend erforderliche Be-
kämpfung der Trunksucht verwiesen (Mäßig-
keitsblätter und Mitteil. des Schwäb. Gauverbands
gegen Alkoholismus). Bezüglich Bewahrung der
Kinder s. Z. III MErl. b. öff. Impfung 22. 2. 05,
Abl. 114. — 6. Unfallmeldestellen, s.
Telegraphenwesen X. — 7. Versicherungs-
wesen. Aus dem Gebiet der Arbeitervers. genügt
es, auf die freiwillige Invalidenvers.
hinzuweisen, die von Bauern und Handwerkern
immer noch ungenügend benützt wird, sowie auf
die Möglichkeit der Einleit. eines Heilverfahrens
durch die Vers AEnst. —Mobiliarfeuervers.,
s. d., bleibt oft hinter dem Wert der versicherten
Habe zurück, häufigere Prüfung des Versicherungs-
vertrags, MErl. 24. 4. 05, Abl. 231. — Die
Hagelversicherung, (. d., hat in W. eine
bedeutende Förderung gefunden durch die Ueber-
einkunft der K. Staatsreg. mit der Nordd. Hagel-
vers Ges., s. Min Abl. 08 87, auch MErl. 11. 8.
09, Abl. 91. — Unter der Viehverficherung,
s. d., ist die Rindviehver s. von der größ-
ten Bedeutung (man unterscheidet Geld- und
Naturalwirtschaft); auch gibt es bes. Schlacht-
viehvers.; es werden am besten für die
einzelnen Gden Vereine gebildet, Normalsatz.
von der K. Zentralst. f. d. L. zu beziehen. — Die
Pferdevers,. sollte auf breiteren Schultern
ruhen (Bezirksvereine). Die Vers. auf Gegenseitig-
keit ist allen Erwerbsgesellschaften entschieden vor-
zuziehen. — 8. Das Sparlassenwesen, (. d.,
ist in W. durch die Württ. Sparkasse und das über
das ganze Land verbreitete Netz von OA- und Gde-
Sparkassen vorzüglich ausgebildet. Zu empfehlen
sind noch Pfennig-, bzw. Schulspark. im Marken-
oder Kartendurchlochungsyftem, wie z. B. in
Weinsberg, Geislingen, Oehringen, Tübingen usw.
Neuerdings werden auch sog. Haussparkassen ein-