Auswanderungswesen.
Auswanderungswesen. I. Der Begriff
Auswanderung ist mehrdeutig. Man versteht
darunter 1. das Verlassen des Heimatstaats ohne
die bestimmte Absicht späterer Wiederniederlassung
in demselben, A. ohne Ausbürgerung; 2. das Ver-
lassen des H. ohne die bestimmte Absicht späterer
Wiederniederlassung in demselben mit gleichzeiti-
ger Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit,
A. mit Ausbürgerung; endlich wird 3. Auswan-
dern in dem RG. über das A. 9. 6. 97, RE#Bl. 468,
lediglich i. S. eines Wanderns in außerd. Länder
verwendet. Die Auswanderungsfreiheit
begründet entspr. der mehrfachen Bedeutung des
Wortes A. ein doppeltes Recht. Einmal ist die
AFreiheit ein Bestandteil des Freizügigkeitsrechts,
das sowohl das Recht auf die Bewegung und Ver-
änderung des Aufenthalts in dem Staat, dem man
angehört, als auch das Recht der Wanderung über
die Grenzen des Heimatstaats hinaus (AFreiheit)
umfaßt. Sodann aber ist die AFreiheit weiterhin
das Recht, mit der Verlegung des Wohnsitzes in
das Ausland auch die Entlassung aus der Staats-
angehörigkeit zu fordern. — ß. Gesetzliche
Vorschriften. Die in Art. 4 Z. 1 RV. aus-
gesprochene Ermächtigung der Beaufsichtigung und
esetzgeberischen Regelung der Freizügigteit, des
taatsbürgerrechts, des Paßwesens und der A.
nach außerd. Ländern hat das R. in vollem Um-
fang verwirklicht, so daß das A. in allen seinen
Beziehungen reichsgesetzlich geregelt ist. — III. In
D. gilt grundsätzlich die Auswande-
rungsfreiheit. as RPaßG. 12. 10. 67,
RGl. 33, Rgbl. 71, Anl. zu Nr. 1 S. 19, bestimmt
in § 1 u. 2, daß D. und Ausländer zum Ausgang
aus dem RGebiet keines Reisepapiers bedürfen.
Weiterhin hat nach § 21, 22 Abs. 2 R. u. St .
jeder D. in Friedenszeiten grundsätzlich das Recht
auf Entlassung aus der Reichs= und Staatsangeh.
Ausnahmen bestehen fast nur aus militärischen
Gründen: Nach § 22 darf die Entlassung nicht er-
teilt werden: 1. Wehrpflichtigen, über deren
Dienstverpflichtung noch nicht endgültig ent-
schieden ist, sofern sie nicht ein Zeugnis der Er-
satzkommission darüber beibringen, daß nach der
Ueberzeugung der Komm. die Entl. nicht in der
Absicht nachgesucht wird, die Erfüllung der akt.
Dienstpflicht zu umgehen; 2. Mannschaften
des akt. Heeres, der akt. Marine oder der akt.
Schutztruppen; 3. die in §5 56 Nr. 2—4 RMG6.
genannten Mannschaften des Beurlaub-
tenstandes, sofern sie nicht die Genehmigung
der Militärbeh. erhalten haben, sowie sonstige
Mannsch. des BeurlSt., nachdem sie eine Ein-
berufung zum akt. Dienst erhalten haben; 4. öff.
Beamten aller Art und Offizieren, auch
solchen des Beurl St., bevor fie aus dem Dienst ent-
lassen sind. Die unabhängig von der Ent-
lassung aus der Staatsangehörigkeit erfol-
gende A. ist ungesetzlich und strafbar ebenfalls
nur unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der
mil. Verpflichtungen, vgl. § 15 Abs. 8 Wehr G.
9. 11. 67, § 60 RMG. 2. 5. 74, Rl. 11, Art. 59
Abs. 8 R., § 27, 111 WO., Beil. II, Muster IV
der WO., StGWB. 8 140, 860 Z. 3. Zur Ver-
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hinderung ungesetzl. A. bestehen einmal
Beschränk. in der Ausstellung von Reisepapieren
aus Gründen der Wehr= und Mil Pflicht, die in
§ 6 Min V. b. Ausstellung von Staatsangehörig-
keitsausweisen und Heimatscheinen 27. 1. 98,
Rabl. 21, zusammengestellt sind und analog auch
für die Ausstellung von Reisepässen gelten, s.
Heimatscheine II. und Paßwesen lI.; sodann ver-
bietet § 23 RE. über das A. 9. 6. 97, Rl. 463,
die Beförderung und den Abschluß von Verträgen
über die Beförderung a) von Wehrpflichtigen im
Alter vom voll. 17. bis voll. 25. Lebensj., bevor
sie eine Entlassungsurkunde oder ein Zeugnis der
Ersatzkomm. darüber beigebracht haben, daß ihrer
A. aus dem Grund der Wehrpflicht kein Hinder-
nis entgegensteht; b) von P., deren Verhaftung
oder Festnahme von einer Gerichts= oder PolBeh.
angeordnet ist;c) von Rüngehör., für die von
fremden Regierungen oder von Holonisations-
gesellschaften oder ähnlichen Unternehmungen der
Beförderungspreis ganz oder teilweise bezahlt wird
oder Vorschusse geleistet werden; Ausnahmen von
dieser Best. kann der Rchsk. zulassen. Verbots-
widrige A. können pol. verhindert werden, § 24
AuswG. Für die Zeit eines Kriegs oder einer
Kriegsgefahr ist dem Kaiser bes. Anordnung über
die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit vor-
behalten, § 22 R. u. St AG. Auch kann der Kaiser
die Paßpflicht überhaupt oder für einen bestimmten
Bezirk oder zu Reisen aus und nach bestimmten
Staaten des Auslands vorübergehend einführen,
wenn die Sicherheit des Reichs oder eines einzeln.
Bst. oder die öff. Ordnung durch Krieg, innere
Unruhen oder sonstige Ereignisse bedroht erscheint,
§ 9 PaßG. Endlich haben bei allg. Mob. alle im
Ausland befindl. P. des Beurlaubtenstandes sich
unverzügl. in das Inl. zurückzubegeben, sofern sie
hievon nicht ausdrückl. enthoben werden, § 58 RM.,
St GB. § 140 Z. 3. — IV. Das Reichsgesetz
über das Auswanderungswesen P. 6.
97, R#Bl. 463, bezweckt einerseits eine fürsorgl.
Beförderung der A. und damit zugleich eine Förde-
rung der d. Reedereien durch Anspornung der
Durchwanderung, andererseits die Hinlenkung der
A. auf im nationalen Interesse geeignete Ziele.
Den ersteren Zweck verfolgen bes. die Vorschr. über
den Geschäftsbetrieb der AuUnternehmer und A.=
Agenten sowie über Beaufsichtig. der A., während
den nationalen Zielen namentlich die Best. in § 6
AuswG. dient, daß die Erlaubnis zum Geschäfts-
betrieb eines AUnternehmers nur für bestimmte
Länder, Teile von solchen oder bestimmte Orte und
im Fall überseeischer Beförderung nur für be-
stimmte Einschiffungshäfen erteilt wird, sog.
Spezialisierungsprinzip. Das G. ist am 1. 4. 98
in Kraft getreten; AusfVorschr.: BdrtVO. über
den Geschäftsbetrieb der Auswande-
rungsunternehmer und Agenten 14.
3. 98 und 23. 8. 08, RBl. 39 u. 274; Bdrt UO.
über Auswandererschiffe 14. Z. 98. 18. 2.
03, 26. 2. 04, 1. 8. C4, 20. 12. 05, 3. S. 00 u. 31. 7. 13,
RGBl. 57 mit Druckfehlerberichtigung S. 917, 37,
136, 138, 779, 904, 620; VV. S. B. 98, Robl. 51, MErl.
8. 3. 98 u. 22. 6. 98, Abl. 89 u. 258, sowie Mek.