Full text: Der neue Kurs.

Ende machen wollte. Allgemein war bekannt, daß die extreme 
Rechte, die sogenannte Kreuzzeitungspartei, nur widerwillig mit 
der von dem Abgeordneten v. Helldorf geführten regierungsfreund- 
lichen Mehrheit der Konservativen in das Kartell mit den Mittel- 
parteien eingetreten war. Ein von dem Vizepräsidenten des Staats- 
ministeriums v. Puttkamer herrührender Artikel, der den über 
die Walderseeversammlungen entstandenen Lärm der mittelpartei- 
lichen, fortschrittlichen und sozialdemokratischen Blätter beschwich- 
tigen sollte, wurde von der Redaktion der Norddeutschen Allge- 
meinen geitung abgelehnt. Statt seiner erschienen in dem Kanzler- 
blatt scharfe Artikel gegen die politische Tätigkeit des Hofpredigers 
Stöcker. 
Kaiser Friedrich wünschte die Entfernung Stöckers aus seinen 
geistlichen Amtern als Hof= und Domprediger. Auf Antrag des 
Fürsten Bismarck wurde in einem Kronrat in Charlottenburg be- 
schlossen, Stöcker vor die Wahl zu stellen, ob er auf seine Amter 
oder auf seine öffentliche Agitation in Volksversammlungen ver- 
zichten wolle. Stöcker wählte den Verzicht auf die Agitation. Wie 
er jedoch im geheimen weiter gegen den Fürsten Bismarck und 
gegen das Kartell arbeitete, das bewies sein am §. September 
1895 vom „Vorwärts“ veröffentlichter Brief an einen „sehr be- 
kannten Führer der konservativen Partei“. Der Empfänger war 
der Abgeordnete Frhr v. Hammerstein, dessen Freund und Seel- 
sorger Stöcker war. Der Brief war am 14. August 1888, also 
zwei Monate nach dem Tode Kaiser Friedrichs geschrieben. Sein 
Zweck ging dahin, möglichste Vorsicht in der Behandlung des 
Kaisers zu empfehlen. Vornehmlich sollte eine Gegenüberstellung 
des Kaisers und des Fürsten Bismarck jetzt, da der Fürst den 
Kaiser ganz für das Kartell gewonnen habe, vermieden werden, 
denn dadurch treibe man den Kaiser erst recht auf die Kanzler- 
seite und verliere so das Spiel. Die Kernstelle lautete wörtlich: 
„Man muß rings um das Kartell Scheiterhaufen anzünden und 
sie hell auflodern lassen, den herrschenden Opportunismus in die 
Flammen werfen und dadurch die Lage beleuchten. Merkt der 
Kaiser, daß man Zwietracht zwischen ihm und Bismarck säen will, 
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