Full text: Handbuch der Gesetzgebung in Preußen und dem Deutschen Reiche. Das Deutsche Reich. (1)

I. Reichsverfassung. 2. G. 16. April 71. 5 
lichen Kraft bestimmt ist, beginnt die letztere mit dem vierzehnten Tage#2) 
nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des 
Reichsgesetzblattes in Berlin ausgegeben worden ist. 
Art. 3. Für ganz Deutschland besteht ein gemeinsames Indigenat 
mit der Wirkung, daß der Angehörige (Unterthan, Staatsbürger) eines 
jeden Bundesstaates13) in jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu be- 
handeln und demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe!14), zu 
öffentlichen Aemtern 15), zur Erwerbung von Grundstücken 160), zur Erlangung 
des Staatsbürgerrechtes!!) und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen 
Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, 
auch in Betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich 
zu behandeln istis). 
Kein Deutscher darf in der Ausübung dieser Befugniß durch die 
Obrigkeit seiner Heimath, oder durch die Obrigkeit eines anderen Bundes- 
staates beschränkt werden. 
Diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die Auf- 
12) Für die Konsulargerichtsbezirke in 
Europa, Egypten u. an der asiatischen 
Küste des Schwarzen u. des Mittel- 
ländischen Meeres mit 2, sonst mit 4 
Monaten G. 7. April 00 (RB. 213) 
§ 30; die letztere Frist gilt auch für 
die Schutzgebiete G. 00 (RGB. 813) § 3. 
13) Das Gleiche gilt von den naturali- 
sirten Eingeborenen und Zugezogenen in 
den Schutzgebieten das. § 9P. 
11) Approbationen als Arzt u. Apo- 
theker gelten für das ganze Reich GewO. 
8 29. 
15) Voraussetzung bildet das Bestehen 
der für Einheimische vorgeschriebenen 
Prüfungen. Ausnahme zu gunsten der 
Richter GVG. Art. 3. 
16) Das Recht zur Niederlaffung u. 
zum Aufenthalte, zum Gewerbebetriebe 
u. zum Grundstückserwerbe enthielt bereits 
das Freizügigkeits G. (Nr. II 3 d. W.). 
— Die Vorschrift bezieht sich auf na- 
türliche, nicht auf juristische Per- 
sonen; diese werden aber — wie sich 
aus GewO. § 12 Abs. 1 ergiebt — be- 
züglich des Gewerbebetriebes im Reiche 
gleich behandelt und dasselbe gilt nach 
EG. z. BGB. Art. 86 u. dem pr. AG. 
20. Sept. 99 (GS. 177) Art.7 § 1 
Abs. 1u. 82 Abs. 1 nebst V. 16. Nov. 
99 (GS. 562) Art. 6 im Wesentlichen 
für den Grunderwerb. 
17) G. üb. den Erwerb der Reichs- 
angehörigkeit (Nr. II 2 d. W.). Die 
  
Voraussetzungen zur Ausübung politi- 
scher Rechte in den Einzelstaaten fallen 
nicht unter die Gesetzgebungsbefugniß 
des Reichs über das Staatsbürgerrecht 
(Art. 41) Schlußprot. (Anm. 3) Nr. II. 
18) Das Reichsbürgerrecht (Indigenat) 
führte ferner 
a) zur Aufhebung aller aus der Ver- 
schiedenheit des religiösen Bekennt- 
nisses hergeleiteten Beschränkungen 
der bürgerlichen u. staatsbürgerlichen 
Rechte G. 3. Juli 69 (BE#Bl. 292, 
R. gem. Anm. 2), 
b) zur Aufhebung der polizeilichen Ehe- 
beschränkungen G. 4. Mai 68 (BGl. 
149), das in Bayern (Schlußprot. 
Anm. 3 Nr. 1) u. Elf.-Lothringen 
nicht galt, jetzt aber durch allgemeine 
Regelung der Eheschließung (B#. 
* 1303—229 erledigt ist, 
J) zur Beseitigung der Doppelbesteue- 
rung G. 13. Mai 70 (BE3il. 119, 
in Elf.-Lothringen eingeführt G. 
14. Mai 72 RGB. 61), nach dem 
das Einkommen aus Grundbesitz, 
Gewerbebetrieb, Gehalt u. Pensionen 
nur von dem Staate besteuert werden 
darf, in dem es bezogen wird. wäh- 
rend das sonstige Einkommen nur 
da heranzuziehen ist, wo der Steuer- 
pflichtige seinen N oder in 
Ermangelung eines solchen seinen 
Aufenthalt hat.
	        
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