Full text: Handbuch der Gesetzgebung in Preußen und dem Deutschen Reiche. Das Deutsche Reich. (1)

IV. 4. ReichsbeamtenG. 31. März 73. 209 
plinarsachen erfolgt durch fünf Mitglieder. Der Vorsitzende und wenigstens 
zwei Beisitzer müssen zu den richterlichen Mitgliedern gehören ). 
§. 90. Wenn auf den Antrag des Beamten der Staatsanwaltschaft 
oder des Angeschuldigten der Disziplinarhof das Vorhandensein von Gründen 
anerkennt, welche die Unbefangenheit der zuständigen Disziplinarkammer 
zweifelhaft machen, so tritt eine andere durch den Disziplinarhof ernannte 
Disziplinarkammer an deren Stelle100). 
§. 91. Der Disziplinarhof besteht aus elf Mitgliedern, von denen 
wenigstens vier zu den Bevollmächtigten zum Bundesrathe, der Präsident 
und wenigstens fünf zu den Mitgliedern des Reichsgerichts 5) gehören 
müssen. 
Die mündliche Verhandlung und Entscheidung in den einzelnen Diszi- 
plinarsachen erfolgt durch sieben Mitglieder. Der Vorsitzende und wenigstens 
drei Beisitzer müssen zu den richterlichen Mitgliedern gehören 39). 
§. 92. Die Geschäftsordnung bei den Disziplinarbehörden, insbesondere 
die Befugnisse des Präsidenten und die Reihenfolge, in welcher die richter- 
lichen Mitglieder an den einzelnen Sitzungen theilzunehmen haben, wird 
durch ein Regulativ geordnet, welches der Disziplinarhof zu entwerfen und 
dem Bundesrath zur Bestätigung einzureichen hat 101). 
§. 93. Die Mitglieder der Disziplinarkammern und des Disziplinar- 
hofs werden für die Dauer der zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen be- 
kleideten Reichs= oder Staatsämter vom Bundesrath gewählt, vom Kaiser 
ernannt, und für die Erfüllung der Obliegenheiten ihres Amts verpflichtet. 
§. 94. In der Voruntersuchung wird der Angeschuldigte unter Mit- 
theilung der Anschuldigungspunkte vorgeladen und der Beamte der Staats- 
anwaltschaft zugezogen. Dieselben werden, wenn sie erscheinen, mit ihren 
Erklärungen und Anträgen gehört. Die Zeugen werden, nach Befinden 
eidlich, vernommen, und die sonstigen Beweise erhoben 10). Den Ver- 
nehmungen der Zeugen darf weder der Beamte der Staatsanwaltschaft noch 
der Angeschuldigte beiwohnen. 
Die Verhaftung, vorläufige Festnahme oder Vorführung des An- 
geschuldigten ist unzulässig 10). 
§. 95. Ueber jede Untersuchungshandlung ist durch einen vereideten 10,) 
  
*) Ernennung und Reihenfolge der 
Einberufung § 92, 93. — Im Reiche, 
wo — abweichend von Preußen — be- 
sondere Disziplinarbehörden eingerichtet 
sind, konnte eine geschlossene Mitglieder- 
zahl u. ein Ueberwiegen der richterlichen 
kommen die Grundsätze der StO. — 
Zeugen § 48—71 (letzterer erg. G. 98 
RGB. 252 Art. II), Sachverständige u. 
Augenschein § 72—86 u. 93 — zur An- 
wendung. 
Mitglieder angeordnet werden. 
100) Nähere Anhaltspunkte (Anm. 91) 
bietet StpO. § 22—30. 
101) Gesch O. 18. April 80 Anlage J. 
102) Für die Beweisaufnahme 
J. 
  
103) Die Beschlagnahme u. die Durch- 
suchung (StPO. 8 94 - 11 sind zulässi 
U. RGer. 3. Juni 84 (Straff. X 429). 
104) Bei Beamten bedarf es keiner 
besonderen Vereidigung U.O V. 11. Jan. 
88 (MB. 33). 
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