V. Reichsfinanzen. 6. Reichsschulden O. 19. März 00. 315
6. Reichsschuldenordnung. Vom 19. März 1900.
(RGB. 129)9.
8. 1. Die Bereitstellung der außerordentlichen, im Wege des Kredits
zu beschaffenden Geldmittel, welche in dem Reichshaushaltsplane zur Be-
streitung einmaliger Ausgaben für Zwecke der Reichsverwaltung vorgesehen
sind, erfolgt auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung?) des Reichskanzlers
bis zur Höhe der bewilligten Summe in dem zu ihrer Beschaffung erforder-
lichen Nennbetrage durch Aufnahme einer verzinslichen Anleihe oder durch
Ausgabe von Schatzanweisungens). Ueber die Ausführung des die Ermäch-
tigung ertheilenden Gesetzes hat der Reichskanzler dem Reichstage bei dessen
nächster Zusammenkunft Rechenschaft abzulegen.
Die Ermächtigung des Reichskanzlers, zur vorübergehenden Verstär-
kung der ordentlichen Betriebsmittel der Reichs-Hauptkasse nach Bedarf
Schatzanweisungen auszugeben, hat gleichfallls durch Gesetz zu erfolgen.
§. 2. Die Bestimmung darüber, zu welcher Zeit, durch welche Stelle
und in welchen Beträgen Schuldverschreibungen") der verzinslichen Anleihe
ausgegeben werden sollen, steht, soweit nicht in der im §. 1 Abs. 1 vorge-
sehenen Ermächtigung ein Anderes vorgeschrieben ist, dem Reichskanzler zu.
Das Gleiche gilt von der Bestimmung des Zinssatzes, der Kündigungsbe-
dingungen und des Kurses, zu welchem die Ausgabe erfolgen soll.
§. 3. Die Schuldverschreibungen nebst den dazu gehörenden Zins-
scheinen und Erneuerungsscheinen werden von der Reichsschuldenverwaltung
ausgestellt5).
1) Die Röch O. faßt die Grundsätze
über Aufnahme u. Verwaltung der
Reichsschulden, die bislang in zahlrei-
chen Einzelgesetzen zerstreut waren, über-
sichtlich zusammen u. schafft auch auf die-
sem Gebiete die nach Erlaß des BGB. u.
der CPO. nothwendig gewordene Rechts-
einheit. Sie betrifft in 4 Abschnitten
1. die Inanspruchnahme des Kredits,
Ausgabe, Tilgung u. Verzinsung d. R.=
Schuldverschreibungen § 1—8 (Anm. 3),
2. die Verwaltung der Reichsschulden
§9 15, 3. Aufgebot, Kraftloserklärung
und Ersatz der R. Schuldverschreibungen
§ 16—19 u. 4. Schluß= u. Uebergangs-
bestimmungen § 20—22. — Quellen:
Verh. d. Reichst. 1898/00 Drucks. Nr. 268
(Entw. u. Begr.), Nr. 509 (KB.); St.
S. 2351 (1. Ber.), 3407 u. 4482 (2. Ber.),
4572 (3. Ber.).
2) In der Regel im Etatsgesetze St B.
S. 3407.
3) Verzinsliche Anleihen §82—6, Schatz-
anweisungen § 7, Bereitstellung u. Ver-
wendung der Beträge für beide § 8.
4) Zu den Schuldverschreibun-
gen zählen BG. u. CPO. regelmäßig
auch die Zinsscheine und die Schatzan-
weisungen; die Röch O. scheidet sie da-
gegen von beiden, Begr. (Anm. 1)
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5) Verantwortlichkeit § 9. Die Zins-
scheine werden regelmäßig auf 10 Jahre
ausgestellt. Wenn der Inhaber der
Schuldverschreibung widerspricht, dürfen
sie nur ihm, nicht einem anderen In-
haber des Erneuerungsscheines ausgege-
ben werden BEB. § 805, doch ist in
diesem Falle
Quittung (§s 368) zu
leisten.