368 VI. Elf.-Lothringen. 6. G. betr. Einrichtung d. Verwaltung 30. Dez. 71.
Der Staatssekretärs) führt den Vorsitz, ist aber befugt, sich ver-
treten zu lassen. Der Vorsitzende hat im Falle der Stimmengleichheit die
entscheidende Stimme.
Die Verhandlungen sind öffentlich. Im Uebrigen werden der Geschäfts-
gang bei dem Kaiserlichen Rath, die Grundsätze über die Mitwirkung der
Staatsanwaltschaft, die Bedingungen der Zulassung zur Vertretung der
Parteien, und der Tarif der Kosten vom Reichskanzler festgesetzt).
§. 9. Ueber „Rekurse wegen Mißbrauchs“ in kirchlichen Angelegen-
heiten — recours comme d'abus — welche durch das die Organisation
der Kulte betreffende Gesetz vom 18. Germinal Jahres X. (8. April 1802)
und die dasselbe ergänzenden Gesetze dem Staatsrathe übertragen sind, ent-
scheidet an Stelle des Staatsrathes der Bundesrath nach Vernehmung
seines Ausschusses für Justizwesen.
Wegen Entscheidung der Kompetenzkonflikte zwischen den richterlichen
und den Verwaltungsbehörden bleibt besondere Anordnung vorbehaltent0).
Die Verwaltungsfunktionen des Staatsrathes, soweit sie durch Gesetz
nicht anderen Behörden übertragen werden, nimmt das Ministeriumt)
wahrt1).
§. 10. Bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist der Statt-
haltert) ermächtigt, alle Maßregeln ungesäumt zu treffen, welche er zur
Abwendung der Gefahr für erforderlich erachtet. Er ist insbesondere befugt,
innerhalb des der Gefahr ausgesetzten Bezirkes diejenigen Gewalten aus-
zuüben, welche der §. 9 des Gesetzes vom 9. August 1849 (Bulletin des lois
Nr. 1511) der Militärbehörde für den Fall des Belagerungszustandes zu-
weist. Von den erlassenen Verfügungen ist dem Reichskanzler ohne Verzug
Anzeige zu machen.
Zu polizeilichen Zwecken, insbesondere auch zur Ausführung der vor-
bezeichneten Maßnahmen ist das Ministeriumlt) berechtigt, die in Elsaß-
Lothringen stehenden Truppen zu requiriren 12).
§. 11. [Bezirkspräsidenten.] An der Spitze der Verwaltung jedes
Bezirkes steht ein Bezirkspräsident. Derselbe übt die Befugnisse aus, welche
bisher dem Präfekten zugestanden haben13). Durch Verfügung des Reichs-
8) An Stelle des Oberpräsidenten ge-
treten V. 89 (folg. Anm.) § 1.
9) V. 23. März 89 (GB. 35).
10) Besondere Anordnung ist nicht er-
gangen; die Gerichte entscheiden deßhalb
gem. GV. §& 17 Abs. 1 über die Zu-
lässigkeit des Rechtswegs.
11) Die Vorschrift hat, nachdem die
wichtigsten Aufgaben des französischen
Staatsraths theils auf den Kaiserlichen
Rath (8§ 8), theils auf den neugebildeten
Staatsrath (Nr. 5 § 9) übergegangen
sind, keine wesentliche Bedeutung mehr.
12) Nach RVerf. Art. 66 Abs. 2 dürfen
die Landesherren zu polizeilichen Zwecken
nicht bloß die eigenen, sondern auch alle
andern im Lande dislocirten Truppen
requiriren.
13) Diese Zuständigkeit, die sich über
alle nicht besonderen Behörden über-
wiesenen Geschäfte erstreckt, ist wesentlich
eingeschränkt, indem:
a) mehrere Gebiete auf andere Be-
hörden übertragen sind, wie die
Verwaltung der direkten Steuern
Anm. 14 u. der Zölle u. indirekten