II. Reichsangehörigkeit. 3. Freizügigkeits G. 1. Nov. 67. 55
einem Bundesstaate unterliegen, oder welche in einem Bundesstaate inner-
halb der letzten zwölf Monate wegen wiederholten Bettelns oder wegen
wiederholter Landstreicherei bestraft worden sind, kann der Aufenthalt in
jedem anderen Bundesstaate von der Landespolizeibehörde verweigert
werden 10).
Die besonderen Gesetze und Privilegien einzelner Ortschaften und Be-
zirke, welche Aufenthaltsbeschränkungen gestatten, werden hiermit aufgehoben.
§. 411). Die Gemeinde ist zur Abweisung eines neu Anziehenden nur
dann befugt, wenn sie nachweisen kann, daß derselbe nicht hinreichende
Kräfte besitzt, um sich und seinen nicht arbeitsfähigen Angehörigen den noth-
dürftigen Lebensunterhalt zu verschaffen, und wenn er solchen weder aus
eigenem Vermögen bestreiten kann, noch von einem dazu verpflichteten Ver-
wandten erhält. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, diese Befugniß der
Gemeinden zu beschränken.
Die Besorgniß vor künftiger Verarmung berechtigt den Gemeindevor-
stand nicht zur Zurückweisung.
§. 5. Offenbart sich nach dem Anzuge die Nothwendigkeit einer
öffentlichen Unterstützung, bevor der neu Anziehende an dem Aufenthaltsorte
einen Unterstützungswohnsitz (Heimathsrecht) erworben hat, und weist die Ge-
meinde nach, daß die Unterstützung aus anderen Gründen, als wegen einer
nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit nothwendig geworden ist, so kann
die Fortsetzung des Aufenthalts versagt werden 12).
§. 6. Ist in den Fällen, wo die Aufnahme oder die Fortsetzung des
Aufenthalts versagt werden darf, die Pflicht zur Uebernahme der Fürsorge
zwischen verschiedenen Gemeinden eines und desselben Bundesstaates streitig,
so erfolgt die Entscheidung nach den Landesgesetzent3).
Die thatsächliche Ausweisung aus einem Orte darf niemals erfolgen,
bevor nicht entweder die Annahme-Erklärung der in Anspruch genommenen
lo) Ausf Best. 28. Juli 94, An-
lage A. — Ist seit der letzten Bestra-
fung die zwölfmonatliche Frist verstrichen,
so darf der Aufenthalt nicht mehr ver-
weigert werden (U#Ger. 17. Juni 82
(Entsch. Straff. VI 378).
11) Der Grundsatz wird — abgesehen
von Bayern u. Els. Lothringen — weiter
ausgeführt durch Unterstützungswohnsitz-
G. 70 (neugefaßt 94 RGB. 262). —
Zurückweisung u. Aufenthaltsbeschränkung
sind Sache der Gemeinde, wobei der
Gemeindevorstand zuständig (s 4 Abs. 2)
u. ein Gemeindebeschluß nicht erforderlich
ist Vf. 10. Jan. 90 (MB. 34). Wird
Zwang erforderlich, so tritt die Polizei-
behörde ein, die dabei nur die rechtliche
Zulässigkeit, nicht die Zweckmäßigkeit der
Maßregel zu prüfen hat. Gegen ihre
Verfügungen finden die allgemeinen
Rechtsmittel statt Vf. 29. Aug. 91 (MB.
170), UOV. 16. März 81 (VII 364).
12) Verfahren UW G. (Anm. 11) § 34
Abs. 3, verb.§ 31,32; Ausweisung Freiz G.
§ 6 Abk. 2.
13) Die Entscheidung erfolgt in erster
Instanz durch den Bezirksausschuß Zust G.
6 39, (Verfahren) LVG. 661—114, 1573
u. (schiedsrichterliche Entscheidung durch
Kreiskommissionen) preuß. AG. 8. März
71 (GS. 130) §60—62. Berufungen
gehen an das Bundesamt für Heimath-
wesen UVG. § 41, AG. § 57 u. 59.