58 II. Reichsangehörigkeit. 3. Freizügigkeits G. Anl. A Vf. 28. Juli 74.
Anlagen zum Freizügigkeitsgesetz vom
1. November 1867.
Anlage A (zu 8. 3 Abl. 2).
Verfügung vom 28. Juli 1894 (MB. 147)7).
In der Angelegenheit, betr. die verschiedene Auslegung und Anwen-
dung des §. 3 Absatz 2 des Reichsgesetzes über die Freizügigkeit vom 1. No-
vember 1867, hat sich der Bundesrath über folgende Grundsätze ver-
ständigt:
1) Reichsangehörigen, welche Aufenthaltsbeschränkungen der im §. 3
Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes vom 1. November 1867 be-
zeichneten Art unterliegen oder innerhalb der letzten zwölf Monate
wegen wiederholten Bettelns oder wiederholter Landstreicherei be-
straft worden sind, wird der Aufenthalt in einem Bundesstaate
nicht verweigert werden, wenn sie in diesem Staate die Staats-
angehörigkeit oder einen Unterstützungswohnsitz (Heimathsrecht) be-
sitzen. Zur Verweigerung des Aufenthalts genügt eine einmalige
Bestrafung innerhalb der zwölfmonatigen Frist, sofern nur vor Be-
ginn derselben bereits eine Bestrafung stattgefunden hat.
2) Die Ausweisung darf in den Fällen des §. 3 Absatz 2 des Frei-
zügigkeitsgesetzes nicht für länger als die Dauer der Aufenthalts-
beschränkungen bezw. die Dauer der von der Verbüßung der letzten
Strafe wegen Bettelns oder Landstreicherei zu berechnenden zwölf
Monate verfügt werden.
3) Aus Bundesstaaten, in welchen auf Grund landesrechtlicher Be-
stimmungen bereits nach einmaliger Bestrafung wegen Bettelns
oder Landstreicherei eine Aufenthaltsbeschränkung polizeilich verfügt
werden kann, wird wegen einer derartigen Aufenthaltsbeschränkung
eine Ausweisung nicht erfolgen.
4) Bei Ausweisungen auf Grund des §. 3 Absatz 2 des Freizügigkeits-
gesetzes sind bezüglich des Verfahrens die Bestimmungen des
Gothaer Vertrages vom 15. Juli 1851 (8§. 8 bis 12) und die
1) Ueber die Anwendung des Freizl handlung der den gleichen Standpunkt
§ 3 Abs. 2 haben die Bundesstaaten sich vertretenden und der an der abweichen-
zwar im Allgemeinen geeinigt (Abs. 1 den (sog. süddeutschen) Auffassung fest-
u. 5—8 der Vf.), doch ist eine Streit= haltenden Staaten geführt hat (Abf. 3
frage offen geblieben (Abs. 2), die für u. 4).
Preußen zu einer verschiedenartigen Be-