60 II. Reichsangehörigkeit. 3. Freizügigkeits G. Anl. A Vf. 28. Juli 74.
bei der Ausführung des §. 3 Absatz 2 des Freizügigkeitsgesetzes in An-
wendung zu bringen, nach welchem nunmehr einheitlich im Reiche verfahren
werden wird, was einen nicht zu verkennenden Vortheil gegenüber dem bis-
herigen Zustand bedeutet. Insbesondere ist es von Werth, daß in Zukunft
bezüglich des Verfahrens bei den hier in Frage kommenden Ausweisungen
die diesbezüglichen Bestimmungen des Gothaer Vertrages wieder allgemein
beobachtet werden.
In dieser Beziehung bemerke ich, daß vor Ertheilung der nach §. 8
des Vertrages einzuholenden Zustimmung zur Ausführung einer Ausweisung
auf Grund des §. 3 Absatz 2 die diesseitige Landespolizeibehörde, welche
hierfür zuständig bleibt, zu prüfen hat, ob, abgesehen von der oben er-
wähnten, nicht beseitigten Verschiedenheit in der Auslegung des Gesetzes,
dessen Voraussetzungen nach den aufgestellten Grundsätzen in dem betreffenden
Falle vorliegen. Führt die Prüfung zu diesem Ergebniß, so ist die Zu-
stimmung nicht zu versagen, wenn der Ausgewiesene die preußische Staats-
angehörigkeit oder in Preußen einen Unterstützungswohnsitz besitzt. Ohne
Weiteres ist die Zuführung eines Ausgewiesenen zulässig, wenn er die er-
wähnten Rechte in einem dritten Bundesstaate besitzt, welchem er nicht wohl
anders als durch preußisches Gebiet zugeführt werden kann, was umgekehrt
auch bei Ausweisungen aus diesseitigem Gebiete zu beachten ist. In einem
solchen Falle bedarf es also nicht der Zustimmung des mittleren, sondern des
zurückliegenden Bundesstaates, nach dessen Gebiet die Ausweisung gerichtet ist.
Dem Belieben des ausweisenden Bundesstaates ist es nach den ver-
einbarten Grundsätzen überlassen, ob er den Ausgewiesenen nach seinem
Heimathsstaate oder nach demjenigen Staate befördern will, in welchem der
Ausgewiesene einen Unterstützungswohnsitz (Heimathsrecht in Bayern) besitzt.
Die Wahl wird nach Zweckmäßigkeitsrücksichten und u. A. darnach zu treffen
sein, für welches der beiden Rechte der Nachweis am leichtesten und zuver-
lässigsten in dem betreffenden Falle erbracht werden kann.
Was den Durchtransport anlangt, so stellt sich dieser rechtlich als eine
Fortsetzung der von dem ersten Bundesstaate vollzogenen Ausweisung seitens
des in der Mitte liegenden Bundesstaates aus seinem Gebiet nach demjenigen
des dritten Staates dar, welche von der Polizeibehörde des mittleren
Staates, der der Ausgewiesene zugeführt wird, auf kürzestem Wege auszu-
sprechen ist. Die Kosten des Durchtransports hat, wie bisher, der von
demselben betroffene Bundesstaat zu tragen, da auch die im §. 11 des
Gothaer Vertrages vorgesehene Erstattung der Hälfte dieser Kosten im
Wege einer, demnächst stillschweigend auf unbestimmte Zeit verlängerten Ver-
einbarung verzichtet worden ist (Erlaß vom 31. Dezember 1863, M. Bl.
1864 S. 15). Ich bemerke indessen ausdrücklich, daß dieses nur für die
nach Maßgabe des Gothaer Vertrages zur Ausführung gelangenden Durch-
transporte gilt.