2 2. Verfassungsurkunde 31. Jan. 50.
noch heute in Kraft steht?'). Mit diesen Kammern wurde eine Revision der Ver-
fassung vereinbart und letztere in der abgeänderten Gestalt am 31. Januar 1850
veröffentlicht.
Die durch diese Verfassung geschaffene Landesvertretung steht mit den früheren
ständischen Vertretungen in keinem Zusammenhange mehr. Sie bildet, während die
Stände für die einzelnen Landestheile bestellt und im Wesentlichen zur Wahrnehmung
der eigenen Interessen berufen waren, die Vertretung des Volkes im gesammten
Staatsgebiete'). Sie hat sich auch nicht aus dem auf der ständischen Grundlage er-
wachsenen vereinigten Landtage herausgebildet, ist vielmehr nach den neueren An-
schauungen vom konstitutionellen Staate selbständig zusammengestellt worden, wie sie
namentlich in der belgischen Verfassung vom 21. Februar 1831 zum Ausdruck ge-
kommen war?).
2. Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat. Vom 31. Januar
1850. (GöS. 17)).
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2) u. K. w.
thun kund und fügen zu wissen, daß Wir, nachdem die von Uns unterm
5. Dezember 1848 vorbehaltlich der Revision im ordentlichen Wege der Gesetz-
gebung verkündigte und von beiden Kammern Unseres Königsreichs anerkannte
!) V. 30. Mai 49 (Nr. II 4 d. W.).
*) Vll. Art. 83.
) Gegensätzliche Auffassung des König-
thums Nr. 2 Anm. 2 d. W.
!1) Entstehung r 1 d. W. —
Ihrem Inhalte nach zerfällt die VI.
in zwei Theile. Der eine regelt unter der
nicht ganz zutreffenden Bezeichnung
„Rechte der Preußen“ das Verhältniß der
einzelnen Staatsangehörigen zur Staats-
gewalt Tit. II (Anm. 8). Der andere
bezieht sich auf die Verfassung des Staates
i. e. S. u. betrifft neben den allgemeinen
u. Uebergangsbestimmungen (Art. 106 bis
119) das Staatsgebiet Tit. I, den König
Tit. III u. die Minister Tit. 1V, den
Landtag Tit. V, die richterliche Gewalt
Tit. VI, die nicht richterlichen Beamten
Tit. VII, die Finanzen Tit. VIII u. die
Kommunalverbände Tit. IX. Diese Ge-
biete werden in der Vll. nicht erschöpfend
behandelt; sie vermeist vielmehr auf eine
Reihe erlassener u. zu erlassender Gesetze
(Art. 3, 17, 19, 26, 31, 33, 34, 89, 98,
105 in Fassung des G. 24. Mai 53 u.
Art. 113) u. hat ausdrücklich alle der
Verfassung nicht zuwider laufenden Be-
stimmungen der bestehenden Gesetzbücher,
Gesetze u. Verordnungen aufrecht erhalten
Art. 109, Anwendung auf die königliche
Gewalt Anm. 63. — Die Vll. hat zahl-
reiche Veränderungen erfahren; sie
wurde auf die neuerworbenen Provinzen
ausgedehnt Anm. 7, und in vielen Einzel-
bestimmungen umgestaltet. Die um-
fassendste u. einschneidendste Veränderung
hat sie durch den — in der Form für
Verfassungsänderungen (Art. 107) be-
schlossenen — Eintritt Preußens in den
Norddeutschen Bund (1. Juli 67) u. das
Deutsche Reich (1. Jan. 71) erfahren, in-
dem die Reichsgesetzgebung verschiedene in
der Vll. behandelte Gebiete geregelt u.,
wo dieses geschehen, nach dem Grundsatze,
daß Reichsgesetze den Landesgesetzen vor-
gehen (RVerf. Art. 3 Abs. 1) die
preußischen Verfassungsbestimmungen be-
seitigt hat. — Bearb. v. Arndt (4. Aufl.
Berl. 00) u. Schwarz (2. Ausg. Bresl. 98).
2) Der Titel „von Gottes Gnaden,
König von (bis zur Erwerbung der pol-
nischen Theile Preußens in) Preußen“
weist auf die monarchische Entwickelung
des Staates hin, wogegen die belgische
Verfassung den Satz enthält „tous les
pouvoirs Gmanent de la nation"“ u. den
Landesherrn als „König der Belgier“ be-
zeichnet. In Preußen schuf das König-
tum die Verfassung, in Belgien die Ver-
fassung das Königthum.