Full text: Handbuch der Gesetzgebung in Preußen und dem Deutschen Reiche. Der Preußische Staat. (4)

4 2. Verfassungsurkunde 31. Jan. 50. 
Titel II. 
Von den Rechten der Preußen)). 
Art. 3. Die Verfassung und das Gesetz bestimmen, unter welchen Be- 
dingungen die Eigenschaft eines Preussen unds) die staatsbürgerlichen Rechte 
erworben, ausgeübt 10) und verloren werden. 
Art. 4. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. 
Standesvorrechte 
finden nicht statt. Die öffentlichen Aemter sind, unter Einhaltung der von den 
Gesetzen festgestellten Bedingungen, für alle dazu Befähigten gleich zugänglich 11). 
") Der Ausdruck des Art. 3 (Staats- 
bürgerrecht) bezeichnet nur die Rechte, der 
des LR. Einl. § 37 u. 43 (Unterthan) nur 
die Pflichten; zutreffender ist deshalb die 
Bezeichnung „Staatsangehörigkeit“ — Die 
vom Staate gewährten Rechte gehören 
— im Gegensatz zu den von ihm nur 
(aber auch bei Ausländern) geschützten 
Privatrechten — dem öffentlichen Rechte 
an u. zerfallen in staatsbürgerliche (poli- 
tische) u. bürgerliche Rechte. Erstere um- 
fassen das Wahlrecht in Staat u. Kom- 
munalverbänden u. die Fähigkeit zu öffent- 
lichen Aemtern; letztere, die sogenannten 
Grundrechte, bilden den Gegenstand des 
Titel II, der jedoch auch Einschränkungen 
u. Pflichten ausspricht (Art. 13, 21, 23, 
34, 40). Die Grundrechte stellen sich als 
Befreiung von staatlicher Einwirkung dar 
u. umfassen die Freiheit der Person in 
ihrer Bewegung u. Häuslichkeit (Freiheits- 
schutz u. Hausrecht Art. 5, 6, Auswan- 
derungsfreiheit Art. 11, Eheschließungs- 
recht Art. 19) wie in ihrem geistigen 
Leben (Glaubens-, Unterrichts= u. Preß= 
freiheit Art. 12—14, 20—26 u. 27, 28, 
Vereins= u. Versammlungsrecht Art. 29 
bis 31), die Freiheit des Eigenthums (Un- 
verletzlichkeit Art. 9, 10, Grundentlastung 
Art. 40—42) u. den Schutz beider Rechte 
(Gleichheit vor dem Gesetz u. dem Gericht 
Art. 4, 7, 8, Petitionsrecht Art. 32). — 
Zeit= u. distriktweise Außerkraftsetzung 
Art. 111. Die staatsbürgerlichen Rechte 
sind in der Hauptsache mit der Staats- 
angehörigkeit verbunden geblieben, die 
bürgerlichen Rechte mit Einschluß der 
Freizügigkeit u. Gewerbefreiheit dagegen 
jetzt im Wesentlichen Gemeingut aller 
Reichsangehörigen geworden; hierüber be- 
stimmt R Verf. Art. 3 Abs. 1:2 
Für ganz Deutschland besteht ein 
gemeinsames Indigenat mit der Wir- 
kung, daß der Angehörige (Unterthan, 
  
  
Staatsbürger) eines jeden Bundes- 
staates in jedem anderen Bundesstaate 
als Inländer zu behandeln u. dem- 
gemäß zum festen Wohnsitz, zum Ge- 
werbebetriebe, zu öffentlichen Aemtern, 
zur Erwerbung von Grundstücken, zur 
Erlangung des Staatsbürgerrechtes 
und zum Genusse aller sonstigen bür- 
gerlichen Rechte unter denselben Vor- 
aussetzungen wie der Einheimische zu- 
zulassen, auch in Betreff der Rechts- 
verfolgung und des Rechtsschutzes 
demselben gleich zu behandeln ist. 
") Der Erwerb u. Verlust der Staats- 
angehörigkeit in einem Bundesstaate, mit 
der regelmäßig die Reichsangehörigkeit ver- 
bunden ist, bestimmt sich jetzt nach dem 
RG. 1. Juni 70 (R#B. 335). 
1%) Anm. 23. — Strafrechtlicher Schutz 
dieser Rechte StGB. § 31—.37. Im 
Uebrigen fallen die Voraussetzungen zur 
Ausübung politischer Rechte in den Einzel- 
staaten nicht unter die Gesetzgebungsbe- 
fugniß des Reichs über das Staatsbürger- 
recht (RVerf. Art. 41) Schlußprot. 
23. Nov. 70 (BGBl. 71 S. 23) Nr. II. 
) Satz 1 wird in Satz 2 erläutert u. 
in Satz 3 auf das besondere Gebiet der 
Bekleidung der öffentlichen Amter ange- 
wendet. Art. 4 fordert die gleiche An- 
wendung der Gesetze — nicht die An- 
wendung derselben Gesetze — gegen jeder- 
mann u. läßt somit besondere Bestim- 
mungen zu, wie sie für Militärpersonen, 
Beamte u. s. w. bestehen. — Die Stan- 
desvorrechte waren in Preußen durch 
Aufhebung der Hörigkeit, der Grund- 
erwerbs= u. Gewerbebetriebs-Beschrän- 
kungen, des bevorzugten Gerichtsstandes, 
der Privatgerichtsbarkeit u. gutsherrlichen
	        
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