2. Verfassungsurkunde 31. Jan. 50. 29
Art. 91. Gerichte für besondere Klassen von Angelegenheiten,
insbesondere Handels- und Gewerbegerichte, sollen im Wege der Ge-
setzgebung an den Orten errichtet werden, wo das Bedüürfniss solche
erlordert.
Die Organisation und Zuständigkeit solcher Gerichte, das Ver-
fahren bei denselben, die Ernennung ihrer Mitglieder, die besonderen
Verhältnisse der letzteren und die Dauer ihres Amtes werden durch
das Gesetz festgestellt 139).
Art. 92. Es soll in Preussen nur ein oberster Gerichtshof be-
stehen 140).
Art. 93. Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gerichte in
Civil- und Strafsachen sollen öffentlich sein. Die Oeffentlichkeit kann
jedoch durch einen öffentlich zu verkündenden Beschluss des Gerichts
ausgeschlossen werden, wenn sie der Ordnung oder den guten Sitten
Gefahr droht.
In anderen Fällen kann die Oeffentlichkeit nur durch Gesetze be-
schränkt werden 141).
Art. 94. Bei Verbrechen erfolgt die Entscheidung über
die Schuld des Angeklagten durch Geschworene, insoweit
ein mit vorheriger Zustimmung der Kammer erlassenes Ge-
setz nicht Ausnahmen bestimmt. Die Bildung des Ge-
schworenengerichts regelt das Gesetz.
Art. 95. Es kann durch ein mit vorheriger Zustimmung
der Kammern zu erlassendes Gesetz ein besonderer Ge-
richtshof errichtet werden, dessen Zuständigkeit die Ver-
brechen des Hochverraths und diejenigen Verbrechen gegen
1) Jetzt gilt GVG. 8 14, wonach als
besondere Gerichte (neben den in
Preußen nicht vorkommenden Gemeinde-
gerichten) zugelassen sind Rheinschiffahrts-
u. Elbzollgerichte (G. 8. u. 9. März u.
V. 1. Sept. 97 GS. 129, 132 u. 609,
letztere erg. V. 20. Aug. O0 GS. 314),
vereinigt waren G. 17. März 52 (GS.
73) u. dem auch das für die neu erwor-
benen Provinzen gebildete Oberappella-
tionsgericht angeschlossen war G. 6. Feb.
74 (GS. 19), ist aufgehoben AG. (Anm.
133) § 121. Oberster Gerichtshof
im Reiche ist das Reichsgericht G.
Gerichte in Ablösungs= u. landw. Ausein-
andersetzungssachen (Generalkommissionen
u. Oberlandeskulturgericht) u. Gewerbe-
gerichte (G. 01 RGB. 353). Daneben
sind aufrecht erhalten die Militärgerichte
GVG. 8§ 16 Satz 3, die Austrägalgerichte
der Standesherren Anl. 6 Nr. 1II Abs. 4“
u. die für einzelne Handlungen der frei-
willigen Gerichtsbarkeit zugelassenen Dorf-
u. Ortsgerichte G. 20. Sept. 99 (GS.
249) Art. 104—127.
4%) Das Obertribunal, zu dem die frühe-
ren beiden oberen Gerichtshöfe (Art. 116)
§ 12, 125—141; für Preußen, wo nur
die Entscheidungen über Revisionen u.
Beschwerden in Strafsachen u. Angelegen-
heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit dem
Oberlandesgericht in Berlin (Kammer-=
gericht nach EG. (Fassung des G. 17. Mai
98 GS. 252) § 9 ausschließlich übertragen
sind A#G. § 50 u. 51, besteht somit ein
oberster Gerichtshof nicht mehr.
111) Für die Oeffentlichkeit der Ver-
handlungen sind jetzt G. § 170—176,
195 u. AG. § 90 maßgebend.