Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

Georg von Mayr, Statistik und Politik, insbesondere Verwaltungsstatistik. 235 
  
Statistik für die Ausgestaltung der Politik in der Lebensentfaltung der Gemeinwesen zu unter- 
suchen. Unter diesem Gesichtspunkte erscheint die Statistik als politischer Aufklärungsdienst 
soweit solcher in der erschöpfenden in Zahl und Mass durchgeführten Beobachtung sozialer Massen 
besteht. Die Kontrolle der Angemessenheit überkommener politischer Auffassung, Strebens- 
richtung und Betätigung wie nicht minder auch die befriedigende Ausgestaltung neuer Auffassung, 
Strebensrichtung und Betätigung solcher Art erheischt Tatsachenerkenntnis der mannigfaltigsten 
Art als Grundlage der politischen Aktion. Die Orientierung über die Grundlagen der auswärtigen 
Politik bedingt mannisfaltize Feststell ın- en über auswärtige Verhältnisse, insbesondere über die 
Staats- und Wehrkraft sowie die wirtschaftliche Macht der verschiedenen Staaten des Auslandes. 
Bewirkt wird solche Orientierung teils durch die zu diesem Zweck geschaffenen besonderen Organe 
des dıplom..t.schen und Konsulardienstes teils auf anderen Wegen, unter denen die sorgsame 
Nutzbarmachung alles erreichbaren statistischen Materials für jene Staaten des Auslandes von 
erheblicher Bedeutung ist. Ausserdem aber ergibt sich für die Orientierung über die innere Politik 
eine reiche Fülle mannigfaltiger Information, so vor allem durch die Berichterstattung der ver- 
schiedenen Verwaltungsbehörden, insbesondere jener, die Chefs in Vertrauensstilung haben, 
gegebenenfalls mittelst Durchführung besonderer Enqueten und mittelst der fortlaufeaden Nach- 
richtensammlung, insbesondere unter Nutzbarmachung des darüber von der Presse dargebotenen 
Materials und der sorgsamen Sammlung und Verwertung, den in Partei-, Vereins- und Interessenten- 
Zusammenschlüssen ersichtlichen Entwicklungstendenzen. 
Eine eigenartige Organisation und besondere technische Ausgestaltung findet dieser Auf- 
klärungsdienst in der Verwaltungsstatistik. Ist es im allgemeinen die Aufgabe aller 
Statistik, die in Zahl und Mass durchgeführte exakte Beobachtung aller einzelnen Elemente sozialer 
Massen zu bewirken, so handelt es sich um Verwaltungsstatistik im besonderen dann, wenn die 
öffentliche Gewalt (des Staats, der Gemeinde oder des Zweckverbands) es unternimmt, eine der- 
artige Massenbeobachtung zur Durchführung zu bringen. Da das Gelingen solcher Beobachtungen, 
insbesondere mit dem Charakter einer alle einzelnen Elemente der sozialen Massen erfassenden 
Feststellung auf blosse Zumutungen eines wissbegierigen Privaten wohl nur in vereinzelten Fällen 
möglich ist, wird es begreiflich, dass alle grossen und durchgreifenden statistischen Ermittlungen 
als verwaltungsstatistische Massnahmen sich darstellen. 
Die sozialen Massen, deren eigenartige Beobachtung Aufgabe der Statistik ist, kann man 
in drei Hauptgruppen zerlegen. An erster Stelle sind zu verzeichnen de Menschenmassen 
selbst, in ihrem Bestand, in ihrer morphologischen Ausgestaltung und in ihren durch die Besiede- 
lungsweise bedingten Beziehungen zum Boden. An zweiter Stelle sind anzuführen die Erschei- 
nungsmassenaller Art, d. h. Massen der fortlaufend als Funktionen der Zeit in der mensch- 
lichen Gesellschaft eintretenden Vorgänge, die quantitativ oder qualitativ den Bestand der Menschen- 
massen beeinflussen, indem sie sich an diesen mit Bestandsveränderung oder innerhalb quantitativ 
unveränderter Bestandsmassen der Menschen als die Individuen qualitativ verändert kennzeich- 
nend vollziehen. Diese Erscheinungsmassen sind Massen entweder aktiver oder passiver Sozial- 
erscheinungen. Erscheinungsmassen aktiven Charakters sind de Handlungsmassen, d.h. 
solche, die auf Entschlüsse der Beteiligten und daraus hervorgehende Handlungen — und zwar 
unabhängig von dem Grad der dabei für sie waltenden tatsächlichen Freiheit des Entschlusses — 
zurückzuführen sind. Ereignismassen sind solche, die unabhängig von Entschlüssen der 
von diesen Ereignissen Betroffenen am oder im Menschenbestand sich vollziehen. An dritter Stelle 
sind sodann noch zu nennen die Massen von verselbständigten äusseren Folgewir- 
kungen (Effekten) menschlicher Handlungen und Ereignisse des fortlaufenden mehr oder minder 
dauerbare Gebilde schaffenden Kristallisationsprozesses der Kultur, ersichtlich und erfassbar 
namentlich in der Ausstattung der Gesellschaft mit Gütermassen aller Art, und dazu weiter auch 
mit den in äussere zähl- und messbare Zustände und Erscheinungen gekleideten Errungenschaften 
des kulturellen gesellschaftlichen Lebens (z. B. religiöse, politische, wissenschaftliche, künstlerische 
humanitäre Gebilde solcher Art). 
le diese sozialen Massen bieten sich der erschöpfenden in Zahl und Mass bewirkten Er- 
fassung der Statistik entweder als gleichzeitig in einem Augenblicksbestand vereinigte Elemente 
der konkreten Masse dar, wie z. B. der Bestand an gleichzeitig lebenden und in einem gegebenen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.