Georg von Mayr, Statistik und Politik, insbesondere Verwaltungsstatistik. 239
hang mit der Ressortverwaltungstätigkeit gepflegten speziellen primärstatistischen Feststellungen
gibt es aber noch andere und zwar gerade die bedeutsamsten Feststellungen solcher Art, bei denen der
allgemein statistische Charakter, die Gesamtbedeutung der Erhebung für das
Gemeinwesen als solche und die gesamte von und für dieses Gemeinwesen durchzuführende Politik
so in den Vordergrund tritt, dass die Vereinigung der besonderen technischen Sorge des Gemein-
wesens — sei es nun Staat oder Gemeinde — für die Durchführung und Nutzbarmachung einer
solchen Statistik naturgemäss ineinerstatistischen Zentralverwaltungzusammen-
gefasst wird, der dann mit ihrem Erstarken gelegentlich noch manche ehedem in gesondertem Ver-
waltungsressort gepflegte Primärstatistik zufällt. Als selbständiges Ministerialressort hat sich die
statistische Zentralverwaltung nicht ausgebildet; von einer solchen Entwicklung war nur gelegent-
lich und vorübergehend die Rede; der Minister der Statistik kann auch aus inneren Gründen kaum
befürwortet werden, weil zwar die Ausgestaltung der statistischen Erhebungen eine sehr wichtige
Verwaltungsaufgabe namentlich dazu berufener staatlicher Organe ist, aber das einheitliche be-
sondere Verwaltungsziel der unmittelbaren Förderung eines speziellen öffentlichen Interesses,
das einer gewissen politischen Interessensphäre zusehört, hier fehlt. Auch eine Sonderstellung
gewissermassen über oder doch neben den Ministerialressorts in Angleichung dieser Stellung an
jene eines durchaus selbständigen obersten Rechnungshof dürfte — abgesehen von prinzipiellen
Bedenken — die erfolgreiche Aktion der statistischen Zentrale wohl nicht fördern. So wırd die Ver-
waltungsstatistik vermutlich — obwohl man besser tut, nıchts zu prophezeien — unter dem poli-
tischen Schutz entweder eines altehrwürdigen Ressorts, insbesondere des Ressorts des Innern, oder
eines modernen Ressorts — so vor einiger Zeit des neu auftauchenden „Handels“ressorts, jetzt noch
eher des Ressorts der „Sozial- und Arbeits“verwaltung u. dgl. bleiben.
Aber die statistische Zentralverwaltung wird dafür immer mehr die gesamte massgebende
Technik der Erhebung, der Materialausbeutung und der Veröffentlichung mit wünschenswertem
möglichsten unmittelbaren Einfluss auf die verwaltungsmässige Regelung aller dieser Fragen be-
stimmen und leitend und selbstarbeitend dabei eingreifen. Aus dem statistischen „Bureau“ der
Vergangenheit ist das in selbständiger energischer Verwaltungstätigkeit wirksame statistische
„Amt‘ geworden. So finden wir heute in der Staatsverwaltung, wenn auch noch uuter ander-
weitiger ministerieller Ägide die verselbständigte statistische Verwaltung
in reicher Ausgestaltung. Diese im einzelnen darzulegen und dabei weiter auch der verwaltungs-
mässigen internationalen Organisationen näher zu gedenken, wie sie z. B. im Berner Amt für die
Internationale Poststatistik, beim landwirtschaftlichen Institut in Rom für die Landwirtschafts-
statistik, als erste Ansätze für weitere derart'ge internationale Organisationen. gegeben und
neuestens in der Ausgestaltung eines statistischen Amts des Internationalen statistischen Instituts
in Aussichtgenommen sınd, fehlt hierder Kaum; nureinekurze ÜoerschauunsererdeutschenVer-
hältnisseseigestattet. In voller Selbständigkeit und Konzentration findet sich die statistische
Verwaltung bei jenen Amtern, die ausschliesslich mit der Wahrnehmung von Aufgaben der stati-
stischen Verwaltung betraut sind. Nach dem Vorschlar Mischler’s spricht man wohl in diesem Fall
auch von der „ausgelösten‘“ Statistik, während man die Statistik da, wo sie von anderen Verwaltungs-
stellen neben anderweitigen Verwaltungsgeschäften gepflegt wird, als die „unausgelöste‘“ Statistik
bezeichnet, mag es sich dabei nur um „‚Geschäftsstatistik‘ oder einzelne besondere primärstatistische
Erhebungen mit Leitung und technischem Eingreifen solcher Verwaltungsstellen handeln. Die
ausgelöste wie die unausgelöste Statistik sind im Deutschen Reich namentlich in Gestalt von Reichs-
Landes- und Kommunalstatistik sowie als Sonderstatistik einzelner Verwaltungsorgane vertreten.
Eine sehr gute Übersicht bietet das von Dr. Platzer herausgegebene Jahrbuch derStatistik und dessen
oben unter Literatur erwähnter Aufsatz. Die Organisation der ausgelösten Statistik des Reichs
ist im Kaiserlichen Statistischen Amt verwirklicht, während unausgelöste Reichsstatistik von
zahlreichen anderen Verwaltungsstellen geliefert wird (Auswärtiges Amt, Reichsamt des Innern,
Kaiserliches Gesundheitsamt, Kaiserl. Patentamt, Reichs-Versicherungsamt, Kaiserl. Aufsichts-
amt für Privatversicherung, Deutsche Seewarte [falls man die meteorologischen Ausweise zur Sta-
tistik rechnen will, zu der sie allerdings nur methodisch, nicht materiell gehören]. Reichs-Justiz-
amt, Reichseisenbahnamt, Preuss. Ministerium der öffentlichen Arbeiten [Güterbewegung auf
den deutschen Eisenbahnen], Reichs-Postamt, Reichsbank, Kriegsministerium, Reichsmarineamt).