Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

254 Ernst Müller-Meiningen, Vereins- und Versammlungsrecht. 
  
„Die Petition dem Bundesrate zur Berücksichtigung mit dem Ersuchen zu überweisen, 
tunlichst beschleunigt dem Reichstag in Ausführung der Bestimmung des Artikel 4 sub 16 der 
Reichsverfassung einen das Vereinswesen regelnden Gesetzentwurf zur Beschlussfassung vor- 
zulegen.“ 
Diese Resolution hat der Bundesrat unter dem 9. Juni 1872 (334 der Protokolle) dem Reichs- 
kanzler als Material für eine.etwaige das Vereinswesen regelnde Gesetzgebung überwiesen. 
Unterm 4. April 1873 legten die Abg. Wiggers und Geo. dem Reichstage den Entwurf eines 
Gesetzes über Vereine und Versammlungen vor. (Drucks. 1. Legisl. IV. Session 1873 Nr. 36.) 
Den genauen Inhalt jenes Entwurfs und sein Schicksal s. des Verfassers Kommentar S. 2ff., 
ebendort die späteren Versuche des Abg. Anker und Rickert und Gen. (1895), Auer und 
Gen. (1896). 
ach wechselvollen Schicksalen und schweren Kämpfen wurde am 11. Dezember 1899 
wenigstens das Verbot der Verbindung politischer Vereine aufgehoben. Inländische Vereine jeder 
Art dürfen sohin mit einander in Verbindung treten. Entgegenstehende landesgesetzliche Bestim- 
mungen sind aufgehoben. (R.G. Bl. S. 699.) 
Auch sonst hat das Reich, das nach Art. 4 Nr. 16 der Verfassung von Anfang an zuständig 
für die Beaufsichtigung und die Gesetzgebung des Vereins- und Versammlungswesens war, von 
seiner Zuständigkeit auf diesem Gebiete durch den Erlass einzelner Bestimmungen Gebrauch 
gemacht. Es kommen vor allem in Betracht: 
. der Artikel 68 der Reichsverfassung, wonach für den Umfang des Reichs mit Ausnahme 
von Bayern (Bündnisvertrag vom 23. November 1870 unter III $5, Reichsverfassung, 
Schlussbestimmung zum XI. Abschnitte) nach Massgabe der Vorschriften des preussischen 
Gesetzes vom 4. Juni 1851 (Gesetzsamml. S. 451), wenn die Sicherheit in dem Bundes- 
gebiete bedıoht ist, durch Erklärung des Kriegszustandes die Bestimmungen der Vereins- 
gesetze zeit- und distriktweise ausser Kraft gesetzt werden können; 
$ 171) des Wahlgesetzes für den deutschen Reichstag vom 31. Mai 1869 (BGBl. 1869 
S. 145, RGBlI. 1373 S. 163), wonach die Wahlberechtigten das Recht haben, zum Betriebe 
der den Reichstag betreffenden Wahlangelegenheiten Vereine zu bilden und in ge- 
schlossenen Räumen unbewaffnet öffentliche Versammlungen zu veranstalten; 
das Reichsgesetz, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu, vom 4. Juli 1872 (RGBl. 
S. 253), wonach dem Orden der Gesellschaft Jesu und den ihm verwandten Orden und 
ordensäbnlichen Kongiegationen die Errichtung von Niederlassungen im Gebiete des 
Deutschen Reichs untersagt ist; 
8 49 RMilG. vom 2. Mai 1874 (RGBl. S. 45), wonach den zum aktiven Heere gehörigen 
Militärpersonen die Teilnahme an politischen Vereinen und Versammlungen untersagt 
wird, sowie die $$ 101, 113 MilStGB. für das Deutsche Reich, vom 20. Juni 1872 (RGBl. 
S. 174) über das Verbot deı Veranstaltung von Versammlungen von Personen des Sol- 
daterstandes behufs Beratung über militärische Angelegenheiten oder Einıichtungen 
sowie der Beteiligung an solchen Versammlungen auch durch Personen des Beurlaubten- 
standes; 
. die Vorschriften des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich vom 31. Mai 1870 (BGBl. 
S. 195, RGBI. 1871 S. 127), in $$ 110, 111, 115, 116, 124, 127, 128, 129. . 
$ 81 RG., betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsg haften, vom 1. Mai 1889, in 
der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juni 1898 (RGBi. S. 810), wonach eine Ge- 
nossenschaft, wenn sie sich gesetzwidriger Handlungen oder Unterlassungen schuldig 
machıt, durch welche das Gemeinwohl gefährdet wird, oder wenn sie andere als die im $ 1 
des Gesetzes bezeichneten geschäftlichen Zwecke verfolgt, ohne Anspruch auf Ent- 
schädigung aufgelöst werden kann, sowie $ 149 daselbst, wonach Mitglieder des Vorstandes 
bestraft werden, wenn ihre Handlungen auf andere, als die im $ 1 erwähnten geschäftlichen 
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') Abs. 2 des $ 17 ist durch das Vereinsgesetz in $ 23 aufgehoben.
	        
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