Ernst Müller-Meiningen, Vereins- und Versammlungsrecht. 257
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desVerwalt (u. wo einsolchesnicht besteht, im Wegedes Rekurses nach
Massgabe der '$5 20, 21 Gw.O.) angefochten werden. Die endgültige Auflösung des Ver-
eins muss öffentlich bekanntgemacht werden ($ 2).
Die weiteren Bestimmungen des Gesetzes behandeln nur die politischen Vereine,
d.h. solche, die eine Einwirkung auf politische Angelegenheiten bezwecken. Nur diese
müssen einen Vorstand und eine Satzung haben. Der Erstere muss binnen
einer Frist von 2 Wochen nach Gründung des Vereins die Satzung sowie das Verzeich-
nis der Mitglieder des Vorstands, nicht das der Mitglieder des Vereins, — wie
meistens bisher — der zuständigen Polizeibehörde einreichen. Jede Änderung der Satzung
oder der Zusammensetzung des Vorstands ist in der gleichen Frist anzuzeigen. Die
Satzung sowie die Änderungen sind in deutscher Fassung einzureichen, doch können
die höheren Verwaltungsbehörden hiervon Ausnahmen zulassen .
Die sog. wirtschaftlichen Vereine, welche privatrechtlich als „Verein“ anerkannt
sind, unterliegen an sich den Vereinsgesetzen nicht (Aktien- u. Aktienkommanditges.,
eingeschr. Hilfskassen, Ges. m. b. H. usw.) Natürlich können aber auch solche Vereine,
wenn sie sich mit politischen Angelegenheiten dauernd
schäftigen, unter das Gesetz fallen. Nur der dauernde Vereinszweck
entscheidet.
Ausdrücklich ausgenommen sind von der Natur „politischer Vereine“ i. S. des $ 3 „Per-
sonenmehrheiten, die vorübergehend zusammentreten, um im Auftrage von
Wahlberechtigten Vorbereitungen für bestimmte Wahlen zu den auf Gesetz oder
Anordnung von Behörden beruhenden öffentlichen Körperschaften zu treffen. Doch gilt
diese Privilegierung der sog. „Wahlvereine“, „Wahlkomitees‘‘ ad hoc nur vom Tage der
amtlichen Bekanntmachung des Wahltages bis zur Beendigung der Wahlhandlung.
Natürlich finden die Vorschriften des Ges. auch keine Anwendung auf die durch
das Gesetz oder die zuständigen Behörden selbst angeordneten Versammmlungen.
. Das Reichsvereinsgesetz hat das Genehmigungsrecht der Polizeibehörden auf
ein Minimum beschränkt. In der Regel genügt eine, überdies stark durchlöcherte An -
zeigepflicht. Wereine öffentliche Versammlung zur Erörterung politischer Ange-
legenheiten (politische Versammlung) veranstalten will, muss hiervon min-
destens 24 Stunden vor dem Beginn bei der Polizeibehörde unter Angabe des Ortes und
der Zeit Anzeige erstatten. Über die Anzeige ist von der Polizeibehörde sofort eine
kostenfreie Bescheinigung zu erteilen. Diese Bestimmung, die also bloss für öffent-
liche und politische Versammlungen gilt, ist aber ($ 6) dreifach durchbrochen,
sodass praktisch von ihr wenig überbleibt:
a) Einer Anzeige bedarf es nicht für Versammlungen, dieöffentlich bekannt
gemacht worden sind (entweder durch Zeitungen, Anschlag usw.); die Erforder-
nisse der Bekanntmachung bestimmt die Landeszentralbehörde.
b) Einer Anzeige bedarf es ferneı nicht für Versammlungender Wahlberech-
tigten zum Betriebe der Wahlen zu den auf Gesetz oder Anordnung von Behörden
beruhenden öffentlichen Körperschaften vom Tage der amtlichen Bekanntmachung
des Wehltags bis zur Beendigung der Wahlhandlung.
Das gleiche gilt für Versammlungen der Gewerbetreibenden, ge
werblichen Gehilfen, Gesellen, Fabrikarbeiter, Besitzer und Arbeiter von Berg-
werken, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüche und
Gruben zurErörterung vonVerabredungen und Vereinigungen
zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbe
dingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der
Arbeiter. (S. die genauen Ausführungsbestimmungen bei Dr. Müller und Schmid
S. 81—94 und S. 97 ffl.) Die Ausnahme, die rein deklaratorische Bedeutung be-
sitzt, wird in der Praxis — wie alle derartigen kasuistischen Bestimmungen _
manche Schwierigkeiten machen.
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Handbuch Jder Politik. TT. Auflage. Band T. 17