Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

Adolf Wach, Volksrichter und Berufsrichter. 327 
  
Neben dem Verwaltungsgerichtshof übt das Reichsgericht, abgesehen von seiner 
sonstigen Zuständigkeit (Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Reich und Ländern, zwischen 
den Ländern unter sich, von Kompetenzkonflikten) Verwaltungsgerichtsbarkeit aus, indem seiner 
Kornition zugewiesen sind Beschwerden der Staatsbürger wegen Verletzung der ihnen durch die 
Verfassung gewährleisteten politischen Rechte. 
3. Viel später als in der cisleithanischen Reichshälfte ist die VG in Ungarn eingeführt 
worden: Gesetzartikel XXVI von 1896. 
Auch dieses Gesetz kennt, wie das österreichische vom 22. Oktober 1875, nur eine Instanz 
der VG: den (ausschliesslich mit Berufsbeamten besetzten) Verwaltungsgerichtshof. Doch ist die 
Errichtung von Unterinstanzen ungefähr nach dem Vorbild der deutschen Staaten, insbesondere 
Preussens, für die Zukunft geplant. 
Die Zuständigkeit des ungarischen Verwaltungsgerichtshofes ist im Gegensatz zu der des 
österreichischen aufzählend bestimmt: die Klage bei ihm kann nur erhoben werden gegen (gewisse, 
nicht alle) Anordnungen derjenigen Behörden, welche in dem Gesetz von 1896 oder anderen Ge- 
setzen namentlich angeführt sind. Eine bedeutsame Erweiterung erfuhr diese Zuständigkeit durch 
den Gesetzartikel LX v. 1907, wodurch die verwaltungsgerichtliche Klage den Munizipien (Ge- 
meinden und höheren Kommunalverbänden) für alle Fälle gegeben wurde, in denen sie sich in 
ihrem Recht auf Selbstverwaltung durch eine gesetzwidrige Verfügung oder Entscheidung der 
Regierung oder ihrer Organe verletzt fühlen.) 
24. Abschnitt. 
Volksriehter und Berufsrichter. 
Von 
Exzellenz Wirklichem Geh. Rat D. Dr. Adolf Wach, 
Mitglied der Ersten Kammer, o. Professor d. R. an der Universität Leipzig. 
X. Man spricht vom Laienrichter oder Volksrichter als dem juristisch nicht geschulten 
und approbierten Mann aus dem Volke, dem Ehrenbeamten, im Gegensatz zum zünftigen, 
dem Juristenstand angehörigen Richter, dem Richter, dessen Beruf die Rechtspflege ist, dem 
richterlichen Staatsbeamten. So wurzelt bei uns der Gegensatz in der eigenartigen Ent- 
wickelung des Richterstandes als einer durch juristisch berufsmässig geschulte Personen 
gebildeten Gruppe der Beamtenhierarchie, der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit berufenen 
Justizbeamten. Das geht zurück auf das gelehrte Richtertum, welches selbst wieder seinen 
Grund hat in der Eigenart der Rechtsentwickelung, der Natur unseres Rechts als Juristen- 
recht im Gegensatz zum Volksrecht. 
Wer die Rechtspflege in Händen hat, der hat das Staatswohl zu wahren. Daher war 
allzeit die Frage, wer sie üben soll, von grosser politischer Tragweite. Der moderne 
Rechtsstaat will sie der Willkür der souveränen Macht entheben, gleichviel ob sie monarchisch 
1) Nach gütiger Mitteilung des Herr Dr. Stefan v. Csekey (Klausenburg) aus den in magyarischer 
Sprache geschriebenen, dem Verf. nicht verständlichen Quellen.
	        
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