Friedrich Oetker, Schwurgericht und Schöffengericht. 369
schaft mit dem Beschuldigten, Verletztsein duroh die Straftat pp.) für diese Sache ausgesohlossenen Geschworenen
fallt nach Reichsreobt in die bezügliche Hauptverhandlung (in Österr. Losung vor, in Ungarn nach Beginn der
Verhandlung). Die Parteien dürfen. zu gleichem Rechte, soviel Geschworene ablehnen, ohne Angabe von Gründen,
als Namenszettel über 12 in der Losurne enthalten sind. Stehen nicht mindestens 24 fähige Geschworene zur
Verfügung, so wird vor Bildung der Jury die Zahl aus der Jahreshilfsliste durch Zulosung auf 30 ergänzt. In
Österr. (&bnlich Ungarn) umfasst die Dienstliste nehen 36 Hauptgeschworenen 9 Ergänzungsgeschworene, die
stets zu erscheinen haben, um etwaigen Ausfall von Hauptgeschworenen zu ersetzen.
Die peremtorische Ablehnung wäre, wenn nicht überhaupt zu beseitigen, so doch zu beschränken (be-
achtenswert itel. E. 1909 art. 35) und daneben (wenn nicht ausschliesslich!) begründete Ablehnung zuzulassen,
wie auch im engl. und schott. Recht beide Arten der Ablehnung bestehen. Spruchliste und erforderliche Präsenz
würden dann (und bei einer Jury von nur 9) erhebliche Reduktion vertragen!!) (unabweisbar, wenn Schöffen-
gerichte in der Mittelstufe—Deutsch. E. — und Sohöffen-Berufungsgerichte den Bedarf an Laienriohtern
steigern).
Nach Beeidigung der 12 Urteilsgeschworenen, die leider nach Reichsrecht u. deutsch. E. der nötigen Ein-
dringlichkeit entbehrt, namentlich nioht die Pflicht zu gesetzmässiger Entsobeidung betont — anders Österr. 313,
Ungarn 349 —, folgt die Sachverhandlung.
Über Vorsitz und Beisitz im Schwurgericht wird nach Reichsrecht — im Gegen-
satz zu der sonstigen Gerichtsbesetzung je für ein Geschäftsjahr im voraus — sessionsweise be-
stimmt. Ebenso in Österreich, während Ungarn und Italien auf ein Jahr designieren. Unbe-
rechtigter Einfluss der Justizverwaltung auf die Gerichtsbildung (einer Einzelsache halber) wird
nach dem letzteren Modus sicher verhütet und der Gewinn an Erfahrung in der schwierigen Funktion
des Vorsitzes der Justiz in höherem Masse erhalten, als es sessionsweise Berufung erwarten lässt
(Norwegen hat ständige Assisen-Präsidenten); sorgsame Auswahl ist freilich bei Ausschluss eines
Wechsels im Geschäftsjahr um so mehr Bedürfnis. Wesentlich zu einer Befähigungsprobe, mit
Rücksicht auf Beförderung pp., sollte jedenfalls das verantwortungsvolle Amt des Vorsitzenden
nicht dienen.
In England ist regelmässig nur ein Richter beteiligt, was auch für Deutschland öfters emp-
fohlen worden ist (das Kollegialsystem gerade bei den schwersten Strafsachen zu durchbrechen,
wäre jedenfalls unrichtig). Italien hat seit Ges. 14. 7. 07 nur einen Richter.
Der französische Schwurgerichtspräsident ist ermächtigt, sich in der Sachleitung über Ge-
setzesvorschriften hinwegzusetzen, an sich unzulässige Beweismittel heranzuziehen pp.; er hat die
„diskretionäreGewalt‘ (code 268 fg. u. anschliessende Praxis, Ital. 478 fg.). Das deutsche
und (richtig verstanden) auch das österr. Recht (ital. E. 1905) kennen diese Missbildung nicht
(anders öfters die frühern deutsch. Landesgesetze).
Die Wahl des Obmanns durch die Geschworenen zur Leitung ihrer Beratung und Ab-
stimmung und zur Kundgebung des Wahrspruchs erfolgt erst nach Schluss der Verhandlungen zur
Schuldfrage im Beratungszimmer. Weit richtiger würde für Organisierung des Geschworenen-
Kollegs gleich nach der Auslosung gesorgt und ihnen so ermöglicht, gemeinsame Anträge zur Frage-
stellung, Beweiserhebung, nach Beratung unter sich, zu stellen.
Die Geschworenen unterliegen, wenn sie sich ihren Pflichten gesetzwidrig entziehen, der
Strafgewalt des Gerichts (so deutsch. Reich, beschränkter Österr. u. Ungarn).
Das deutsch-österr. Recht billigt ihnen Ersatz der Reisekosten zu. Der deutsche und der
österr. E. sehen Tagegelder vor (so Ungarn u. französ. Ges. 17. 7. 1908).
Vu. Das Schöffengerichtist im Gegensatz zum Schwurgericht einheitlich gebildet.
Schöffen und Berufsrichter sind ein Kollegium und fällen das Urteil gemeinsam. Mitbeteiligung
der Schöffen an den dem Urteil vorgängigen Entscheidungen ist nicht begriffswesentlich. Immer
beschränkt sich die Zuziehung der Schöffen auf die Hauptverhandlung. Erledigung erst der Schuld-,
dann der Straffrage in getrennten Entscheidungen, je durch Richter und Schöffen gemeinsam, wäre
mit dem Wesen des Schöffengerichts vereinbar. Fernhaltung der einen oder andern Urteilergruppe
hingegen von der Entscheidung entweder der Schuld- oder der Straffrage würde das „Schöffen-
gericht‘‘ aufheben.
ı) Ein Fehler ist, dass der deutsche E. ohne diese Voraussetzungen reduziert (auf 22 u. 18).
Handbuch der Polltik. II. Auflage. Band I.