Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

29. Abschnitt. 
a) Die parlamentarische Regierung. 
Yon 
Dr. J. Hatschek, 
Professor an der Universität Göttingen. 
Literatur: 
Gneist, englisches Verwaltungsrecht passim. — Derselbe, Selbstverwaltung und Rechtsweg 
passim. — Seydel, in seinen staatsr. und polit. Abhandlungen 1893 S. 121 ff. — Derselbe, Vorträge aus 
dem allg. Staatsrecht G. Hirth’s Annalen 1898 S. 746 ff. — Mohl, Geschichte und Literatur des allg. konst. 
Staatsrecht (in seiner Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften 1288 ff. —) Derselbe: Politik I. 
S. 392 ff.— Meyer-Anschütz, D. Staatsrecht. 6. Aufl. 1905 S. 301 f. — Jellinek, Recht des, mod. 
Staats. 3. Aufl. S. 700 ff.— Derselbe, Ausgew. Schriften u. Reden 1911 II. 180 ff. — Piloty, Autorität und 
Staatsgewalt in Jahrb. der int. Vereinigung für vergl. R.W. u. Volkswirtschaftslehre VI, VII S. 551 ff.— Dicey, 
in Harvard Law Review XIII 67—79. — Hatschek, Allg. Stastsrecht (1909) I. S. 29 ff., 38 ff. II S. 19 ff. 
und engl. StR. 1581 ff. — Rehm, Allg. Staatslehre (in Marquardsen, H. d. ö. R.) S. 354 ff. — Fahlbeck, 
Sveriges författning och den moderna Parlamentarismen Lund 1903. 
I. 
Die Dogmengeschichte, 
Sie ist bestimmt durch die Art und Weise, wie die Theorie des Kontinents das Musterland 
der parlamentarischen Regierung England in seinem verfassungsmässigen Wirken beobachtet 
und erfasst hat. Immer eilt, wie das folgende dartun soll, der Kontinent in der theoretischen 
Formulierung des Problems der parlamentarischen Regierung selbst den Engländern voran, belehrt 
sie darüber, was das Schätzenswerte an ihrem Parlamentarismus sei, und veranlasst sie selbst zu 
theoretischen Betrachtungen über ihr Staatswesen, die aber inzwischen von den Tatsachen 
der Staatspraxis ihres Vaterlandes längst überholt sind. 
l. 
Zu einer Zeit, da England eben jenen Kraftaufwand vornahm, um im Kampfe Edmund 
Burke’s gegen die Autokratie Georgs III. den Grundstein zur parlamentarischen Regierung der 
Gegenwart zu legen (siehe meine englische Verfassungsgeschichte, München 1913 S. 644 ff.), teilt 
der Genfer De Lolme in seinem „Constitution de l’Angleterre‘ (insbesondere Bd. II der Ausgabe 
von 1787 Ch. X dem staunenden Kontinent als Vorzug der englischen Verfassung mit, dass in 
ihr die Volksvertreter „keinen Anteil an der exekutiven Gewalt‘ besässen, was um die Zeit, da der 
Satz geschrieben wird, jedenfalls unrichtig ist. Aber die ganze De Lolme’sche Theorie, welche an 
diesem wesentlichen Punkte das Bestehen einer parlamentarischen Regierung in England verneint, 
ist über den Leisten der Montesquieu’schen Dreiteilungslehre der Staatsgewalt geschlagen, einer 
Lehre die auch der berühmte Kommentator des engl. Rechts Blacktone zur Grundlage seiner Schil- 
derung der englischen Verfassung übernimmt. Auch De Lolme wird dann von Blackstone als klassi- 
scher Zeuge dafür berufen, dass Englands Ruhm als Verfassungsstaat in der Mischung der drei 
Staatsformen (Monarchie, Aristokratie und Demokratie) bestände, die namentlich im Parlament 
verwirklicht sei, das sich aus König, Oberhaus und Unterhaus zusammensetze, und dass die 
glückliche Mischung der drei Staatsformen in England ihren Höhepunkt deshalb erreiche, weil 
sich diese drei Teile des Parlaments gegenseitig die Wagschale hielten (Theorie der Balancen). 
Diese Theorie war so sehr dem Leben und der damaligen Staatspraxis abgewendet, dass sie das 
Wirken des damals bereits allmächtigen Ministerkabinetts ganz übersah.
	        
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