Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

76 Eduard Hubrich, Die Staatsformen. 
In der Wahlmonarchie ist es Aufgabe besonderer Kreationsorgane (der Regel nach Wahl- 
kollegien), durch einen juristischen Kreationsakt den Thron von Fall zu Fall zu besetzen. Mit der 
Vornahme des Kreationsakts ist das Recht des Kreationsorgans erschöpft; es ist nicht höheres 
Staatsorgan gegenüber dem Wahlmonarchen und die Gewalt des letzteren ist nicht eine delegierte 
des Kreationsorgans. Der \Wahlmonarch ist — nach Vollendung des Wahlakts — rechter Monarch 
d. Iı. Herrscher kraft ursprünglichen Rechts und niemandes Diener oder Beamter. Ihm gebührt 
ebenfalls die Lebenslänglichkeit und persönliche Unverantwortlichkeit des Erbmonarchen.8) 
b) Unbeschränkte und beschränkte Monarchien. Die Staatsgewalt in ihrer Wirksamkeit 
oder Ausübung heisst technisch „Staatsregierung‘ oder „Staatsverwaltung‘ (im weiteren Sinne 
des Worts). In den Monarchien ist der Monarch ebenfalls der ursprüngliche Träger des Rechts der 
Staatsregierung und damit auch der drei darin enthaltenen Funktionen (Erscheinungsformen): 
der gesetzgebenden Gewalt (Rechtssetzung), der richterlichen Gewalt (Rechtsprechung) und der 
vollzichenden Gewalt (Regierung, Verwaltung im engeren und eigentlichen Sinne). Soweit nun 
die Staatsgewalt in diesen drei Funktionen zur Ausübung gebracht wird, kann der Monarch dabei 
von Rechts wegen durch eine Beteiligung anderer Staatsorgane entweder beschränkt sein oder nicht, 
und nach diesen beiden Möglichkeiten bestimmt sich der Unterschied zwischen beschränkter und 
unbeschränkter (absoluter) Monarchie. Doch spricht man in strengerem Sinne auch schon dann 
von absoluter Monarchie, wenn der Monarch nur bei der Ausübung der Gesetzgebung nicht durch 
ein Zustimmungsrecht eines anderen, seiner Befehlsmacht entrückten Staatsorgans beschränkt 
ist. Die absolute Monarchie, in welcher auf dem Boden der drei Funktionen der Staatsgewalt 
für den Monarchen keinerlei Schrankensetzung besteht, heisst Despotie. Sie kann der gemeinen 
Rechtsüberzeugung des Landes unter Umständen entsprechen, mithin Rechtsordnung sein. Eine 
unter Missbilligung der Untertanen ohne jegliche Schrankensetzung ausgeübte Monarchengewalt 
nennt man bisweilen Tyrannis. Die beschränkte Monarchie ist in neuerer Zeit besonders in den 
Formen der ständischen und der konstitutionellen Monarchie aufgetreten. In der ständischen 
Monarchie war der Monarch durch ein Kolleg (Körperschaft) von Angehörigen bestimmter Ge- 
burts- oder Berufsstände — mit einem Votum consultativum oder decisivum bei der Gesetzgebung 
— beschränkt. Die konstitutionelle Monarchie dagegen setzt dem Monarchen, mit einem votum 
decisivum bei der Gesetzgebung und mit einem Kontrollrecht gegenüber der ganzen Staatsver- 
waltung ein Kolleg zur Seite, welches von geburts- oder berufsständischer Interessenvertretung 
rechtlich entbunden, grundsätzlich Angehörige aller Bevölkerungsklassen in sich aufzunehmen 
fäbig und dem Wohle der Staatsgesamtheit bei Wahrnehmung seiner Gerechtsame zu dienen be- 
stinnmt ist (Volksvertretung im engeren und eigentlichen Sinne). Die Volksvertretung ist — wie 
das Ständekolleg in der ständischen Monarchie — materiell der Befehlsgewalt des Monarchen ent- 
rückt; sie ist ebenfalls unmittelbares Staatsorgan mit ursprünglichen Kompetenzen. Aber eine 
unmittelbare Befehlsmacht gegenüber der Untertanenschaft steht der Volksvertretung nicht zu. 
Ihr kommt nur gegenüber der als Staatsregierung in der Ausübung begriffenen Staatsgewalt eine 
bestimmte, sich anschliessende, aufsichtführende oder zustimmende Willensektion zu. Das Zu- 
stimmungsrecht der Volksvertretung bei der Gesetzgebung beschränkt sich auf die Befugnis, im 
Anschluss an das gleichartige Bestimmungsrecht des Monarchen mit demselben die Gesetzes- 
fassung (den Gesetzesinhalt, Gesetzestext) festzustellen, während der die stastliche Herrschermacht 
unmittelbar bewährende Gesetzbefehl allein vom Monarchen erlassen wird (Sanktionsrecht). 
  
?) Die deutschen Monarchien sind heutzutage ausschliesslich Erbmonarohien. Regelmässig gilt in ihnen 
für die '['hronfolge das „salische Gesetz“ d. h. nur Männer, die im Manusstamm vom ersten Thronerwerber ihre 
Herkuoft ableiten, sind thronfolgebereohtigt („Agnaten‘‘ des deutschen Rechts; mas a mare). Ausgeschlossen 
sind <lie Frauen und ihre Nachkommen (,„Kognaten“. — Lex Salica: De terra vero nulla in muliere hereditas non 
portincbit, sed ad virilem sexum, qui fratres fuerint, tota terra perteneat.). Nur subsidiär sind in einigen Stasten 
die Kugnaten beim Fehlen von Agnaten berufen: in Sachsen, Bayern, Württemberg, wie auch in Österreich und 
Holland. In Spanien und England gilt die successio promisonn: es folgen zunächst die sämtlichen männliohen 
Abkömmlinge und bei deren Fehlen die weibliohen Abkömmlinge des letzten Herrechers, unter Aussohluse des 
Brüder (lossclben und ihrer Nachkommen,
	        
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