Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

408 Hugo Natalis, Elektrizitätskonzerne. 
  
für den Bestand der Kartelle gegeben. Überhaupt ist der Anreiz zu Neugründungen und 
Erweiterungen, den die festorganisierten Kartelle geben, eine der volkswirtschaftlich bedenk- 
lichsten Seiten der Konzentrationsbewegung. In der gleichen Richtung wirkt die Beteiligung 
des Staates an den Kartellen, wie schon länger in der Kaliindustrie und zeitweise am Rheinisch- 
westfälischen Kohlensyndikat. Die darin liegende Sicherung des Kartells fördert eine volks- 
wirtschaftlich höchst bedenkliche Überkapitalisation, die allerdings in der Montanindustrie 
verhältnismässig am wenigsten gefährlich ist, weil hierdurch in natürlichen Verhältnissen 
Benzlaus Schranken gesetzt sind. 
So bewahrheitet sich hier der alte Satz, dass ein volkswirtschaftliches Prinzip, auf die 
Spitze getrieben, in sein Gegenteil umschlägt. Die Kartellierung in der Montanindustrie 
trägt dadurch, dass sie zu Erweiterungen und Kombinationen veranlasst, schon den Keim 
zu neuer Konkurrenz in sich, entwickelt aus sich selbst ein Korrektiv, das die Aus- 
bildung einer extremen Monopolstellung verhindert. 
enn so die Kartelle der Montanindustrie auch keineswegs gesicherte Institutionen 
sind, so ist doch andererseits nicht anzunchmen, dass sie nur vorübergehende Erscheinungen 
seien, die bald auf immer verschwinden werden. Im Gegenteil. Dauernder Konkurrenz- 
kampf ist heute undenkbar, die grossen, mit ungeheuren Kapitalien arbeitenden Unter- 
nehmungen können sich nicht dauernd bekämpfen. Je geringer ihre Zahl ist, desto leichter 
ist eine Verständigung zwischen ihnen. Sie ist auch im allgemeinen volkswirtschaftlichen 
Interesse. Denn Konkurrenzkampf bedeutet eine Kapitalverschwendung. Der „anarchische“ 
Zustand, bei dem die Anpassung der Produktion an die Nachfrage allein durch die Kon- 
kurrenz erfolgt, ist unwirtschaftlich. Mag auch zeitweiser Konkurrenzkampf eintreten, er 
wird doch bald wieder einer Organisation der Unternehmungen Platz machen müssen. 
Manche glauben, dass dabei an die Stelle der Kartelle der Trust treten wird. Aber bisher 
hat sich auch in Amerika gezeigt, dass es in den grossen, volkswirtschaftlich wichtigsten 
Industrien, vor allem auch in der Montanindustrie unmöglich war, alle Unternehmungen zu 
einer einzigen mit monopolistischem Charakter zu vereinigen. Das scheitert schon an der 
Möglichkeit, eine solche Unternehmung zu übersehen und einheitlich zu leiten. So werden 
auch bei uns, gerade in der Montanindustrie, immer mehrere grosse Unternehmungen bestehen 
bleiben (daneben auch kleinere für Spezialprodukte) und zur Beseitigung des Konkurtenz- 
kampfes zwischen ihnen werden die Kartelle noch auf lange hinaus ihre Bedeutung behalten. 
b) Elektrizitäts-Konzerne. 
Von 
Hugo Natalis, 
Direktor der Sismens-Schuchert-Werke in Berlin. 
Die grossen und vielseitigen Aufgaben, die die Elektrotechnik im letzten Vierteljahrhundert 
kelöst hat, führten in rascher Folge zur Aufschliessung immer neuer, für die Anwendung der elek- 
trischen Energiequelle geeizmeter Gebiete. Damit wuchsen naturgemäss auch die Anforderungen 
des Konsums an die Produktion. Die Ausdehnung der Betriebsstätten und des Wirkungskreises 
waren die Folge. Beides erforderte die Aufbringung grosser Mittel und die Schulung sachver- 
ständiger Kräfte. Alle diese Momente sprachen für einen grösseren Zusammenschluss gleicher 
oder sich ergänzender K äfte und haben in allen Industriestaaten mit mehr oder weniger Erfolg,
	        
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