414 Robert Liefmann, Gesetzgebungspolitik gegenüber Kartellen und Trusts.
über Kartelle vor, die in 4 Teileneine Statistik deutscherKartelle, eineSa nm m-
lung von Kartellstatuten, eine Zusammenstellung der die Kartelle betreffenden Vor-
schriften des deutschen Zivil- und Strafrechts sowie von Reichsgerichtsurteilen,
eine ausführliche Darstellung der Verbändeimdeutschen Kohlenbergbau, end-
lich eine Übersicht über die ausländische Kartell- und Trustgesetzgebung
enthält. Aber damit wird man auf die Dauer nicht auskommen. Ein ständiges Kartellamt wird
immer mehr zu einer Notwendigkeit. Am zweckmässigsten wäre wohl die Einrichtung eines all-
gemeinen „Industrie-undHandelsamtes“,dasauch andere als Kartellfragen, die Handel
und Industrie betreffen, zu behandeln und die wichtigsten Unternehmungszweige, auch z. B. das
Bankwesen zu überwachen hätte, Auskünfte einholen und Enqueten veranstalten könnte. In Ver-
bindung damit könnte den Kartellen die Erstattung regelmässiger Jahresberichte über die Lage
ihres Unternehmungszweiges, den Grad der Beschäftigung, die Preise und dergl. zur Pflicht gemacht
werden,
11. Zivil- und Sirafrechtsnormen.
Die Forderungen. über bloss kontrollierende Massregeln hinaus das Kartellwesen staatlich zu
regeln, sind sehr zahlreich und sehr verschiedenartig. Manche verlangen ein allgemeinesKartell-
x esetz und mehrere derartige Entwürfe wurden von den politischen Parteien vorgelegt. Aber all-
semeine Bestimmungen, die über blosskontrollierende Massregeln hinausgehen, würden unbedingt
verfehlt sein. Es liegt z. B. gar kein volkswirtschaftliches Interesse vor, die Kartelle in irgend eine
bestimmte juristische Form zu pressen. Am ersten könnten noch besondere Zwangsmittel, welche
die Kartelle (aber auch andere gemeinsame Organisationen) anwenden, um Aussenstehende zum
Beitritt zu veranlassen: diesog. Exklusionsverträge oder Verpflichtungen zum
ausschliesslichen Verkehr, die verschiedenen Form:n dis Organisations-
zwangs, einer allgemeinen gesetzlichen Regelung unterworfen werden. Ganz zu verbieten
sind jedoch derartige Verpflichtungen ebenso wenig wie Boykott, Streik und Aussperrung,
bisher hat aber noch kein allgemeiner Gesichtspunkt gefunden werden können, bis zu welcher
Grenze derartige Massregeln berechtigt und wann sie unberechtigt sind; die Gerichte ent-
scheiden hier von Fall zu Fall und oft sehr willkürlich.
Von juristischer Seite wurden teilweise besonders Zivil- und Strafrechtsnormen gegen die
Kartelle gefordert, von der Mehrzahl jedoch, z. B. auf dem deutschen Juristentage, erklärt, dass die
vorhandenen Rechtsnormen zur Bekämpfung von Missbräuchen der monopolistischen Vereini-
gungen genügen. Das ist aber nur insofern zutreffend, als damit nicht die Notwendigkeit wirtschafts-
politischer Massregeln verneint werden soll. Denn es ist klar, dass die Hauptwirkungen der Kartelle
durch die Zivil- und Strafrechtsordnung gar nicht erfasst werden können. Diese liegen ja wie bei
allen Monopolorganisationen in der Gefahr übermässig hoher Preise. Es ist aber ganz undenkbar,
dass ein Richter. z. B. auf eine Zivilrechtsklage hin, entscheiden sollte, ob die Preise eines Kartells
zu hoch sind und ein Verstoss gegen die guten Sitten oder wucherische Ausbeutung vorliegt ($ 138
bezw. 134 B.G.B.) Die Preise können nur im Zusammenhang mit der ganzen Konjunktur des Wirt-
schaftslebens beurteilt werden. Aber selbst Sachverständigen aus der betr. Industrie wird es
oft nicht möglich sein, zu sagen, wann die Preise zu hoch sind, geschweige denn, wann von wuche-
rischer Ausbeutung die Rede sein kann. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass es sich hier n cht
umeinen einzigen Verkaufsvertrag handelt, der dem Richter gerade vorli gt, sondern
es sind auf der gleichen Grundlage, z. B. den Preisfestsetzungen oder Absatzbedingungen dısb.tr.
Kartells, eine Unzahl ähnlicher Verträge eingegangen worden. Das Urteil eines Richters über einen
solchen Vertrag enthält also gleichzeitig eine Entscheidung über alle auf Grund des betr.
Kartellbeschlusses von allen Kartellmitgliedern mit ihren Abnehmern
seschlossenen Verträge. Es handelt sich also hier um die wirtschaftlichen Grundlagen
und die innersten Verhältnisse eines ganzen Industriezweiges, und es ist dem Richter unmöglich,
diese Grundlagen, d. h. die Gründe für die Festsetzung der Kartellpreise mit vollkommener Sach-
kenntnis zu prüfen.