Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
Rudolf Lennhoff, Die Aerzte. 
  
Pflichten des Arztes. 
l. Macht der Arzt von dem Recht, sıch an irgend einem Orte des deutschen Reichs zur 
Ausübung der Praxis niederzulassen, Gebrauch, dann hat er hiervon, gemäss den jeweiligen bundes- 
staatlichen Bestimmungen, der zuständigen Medizinalbehörde Mitteilung zu machen, unter Angabe 
seiner Personalien und Nachweisung des Rechts zur Führung des Arzt-, evtl. des Doktortitels. 
2. Eine Pflicht zur Hilfeleistung besteht gesetzlich nur wıe bei jedem Staatsbürger gemäss 
& 360, 10 St.G.B., wonach bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not der Aufforderung 
der Polizei zur Hilfeleistung nachgekommen werden muss, wenn nicht erhebliche eigene Gefahr 
dem entgegensteht. Die ärztliche Standesauffassung dehnt diese Pflicht erheblich weiter aus. So 
erklärte der preussische Ehrengerichtshof in einem Urteil vom 1. Dezember 1902 dıe Verweigerung 
ärztlicher Hilfeleistung in Fällen dringender Gefahr als einen Verstoss gegen die ärztlichen Standes- 
pflichten. 
3. Die Pflicht zur gewissenhaften Ausübung der Berufstätigkeit ergibt sıch aus der Art 
des Berufes. Dieser verpflichtet zu sorgsamer Untersuchung, Beratung und Behandlung. Überdies 
verpflichtet eine besondere Standesgesetzgebung. 
4. Pflicht zur Erteilung von Auskunft und Rechenschaft gegenüber dem Auftraggeber 
(B.G.B. $ 666). 
5. Schweigepflicht über anvertraute Tatsachen (Berufspflicht und St.G.B. $ 300). 
6. Wenn auch grundsätzlich die Höhe des ärztlichen Honorars der freien Vereinbarung unter- 
liegt, so ist mangels einer solchen der Arzt in den meisten Staaten an staatlich festgesetzte Ge- 
bührenordnungen gebunden (in Preussen vom 15. Maı 1896). Diese lassen je nach der Vermögens- 
lage des Patienten und der besonderen Art des Krankheitsfalles einen Spielraum zwischen Höchst- 
und Mindestsätzen. Zur Anrechnung nur der Mindestsätze ıst der Arzt gegenüber nachweisbar 
Unbemittelten und Armenverbänden verpflichtet oder wenn die Zahlung aus Staatsfonds, den 
Mitteln einer milden Stiftung, einer Knappschafts- oder Arbeiterkrankenkasse zu leisten ist, soweit 
nicht besondere Schwierigkeiten der ärztlichen Leistung oder das Mass des Zeitaufwandes einen 
höheren Satz rechtfertigen. Handelt es sich um sanıtätspolizeiliche oder gerichtsärztliche Geschäfte 
nicht beamteter Arzte, in amtlichem Auftrage, dann kommen in Preussen dıe Gebühren für Medı- 
zınalbeamte nach dem Gesetz vom 14. Juli 1909, $ 12, ın Anrechnung. 
Die Frage, ob „Autoritäten“ von anerkanntem Ruf auch ohne besondere Vereinbarung nicht an die 
Sätze der Gebührenordnung gebunden sind, weil die Patienten ohne weiteres höhere Honorarforderungen zu 
erwarten gewohnt seien, ist in der neueren Rechtsprechung meistens, aber nicht immer, verneint worden. 
Gegenüber ‚Spezialisten‘‘, die nicht zugleich „Autoritäten“ sind, wird sie regelmässig verneint. 
7. Anzeigepflicht bei bestimmten ansteckenden Krankheiten, ohne Entgelt. (sog. Reichs- 
seuchengesetz vom 30. Juni 1900 und die entsprechenden Landesgesetze; ın Preussen vom 28. August 
1905). 
8. Anzeigepflicht bei Geburten. (Personenstandsgesetz vom 6. Februar 1875 88 17—20). 
9. Pflicht zur Abgabe von Gutachten vor Gericht und anderen Behörden. 
  
  
  
  
  
  
Zahl und Gruppierung der Ärzte. 
Nach den Berechnungen von Prinzing (Deutsche Medız. Wochenschrift 1912, S. 2462) be- 
trug die Zahl der Arzte in Deutschland im Jahre 1912 ım ganzen 33 527, das sınd auf je 10 000 Eın- 
wohner 5,06. Die Verteilung auf Städte und Land ıst aber keine gleichmässige, denn es kamen 
auf je 10 000 Einwohner ın den Grossstädten 10,0, ım übrigen Deutschland 3,6 ın Gross-Berlıin 11,09. 
Zwischen den einzelnen Grossstädten bestehen grosse Verschiedenheiten. In der Bäderstadt 
Wiesbaden kamen auf je 10 000 Einwohner 25,1 Einwohner, in Hamborn nur 2,0. Am wenigsten 
Arzte sind in den Grossstädten mit vorwiegender Arbeiterbevölkerung, ın denen die Krank- 
praxis monopolisiert ıst. Die Zahl der weiblichen Arzte betrug 151. 
Ihrer Berufsstellung nach kann man die Ärzte in drei Gruppen scheiden, die der freiprakti- 
zierenden, der beamteten, der Militärärzte, von denen die erstere die weitaus grösste ıst. Auf Grund 
der Berufsausübung zerfallen wiederum die frei praktizierenden Ärzte in zwei
	        
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