Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

75. Abschnitt. 
  
Die Rechtsanwaltschaft. 
Von 
Justizrat Adolf Weissler, 
HalleaS. 
  
     
Literatur: 
Weissler, Geschichte der Rechtsanwaltschaft. Leipzig 1905. 
Finger, Die Kunst des Rechtsanwalts. System. Darstellung ihrer Grundfragen. 2. Aufl. 1912. 
Benedict, Die Advokatur unserer Zeit, 4. Aufl. Wien 1912. 
Friedlaender, Die Rechtsanwalts-Ordnung. 1908. Nachtrag 1910. 
Siegel, Die gesamten Materialien zur Rechtsanwalts-Ordnung. Leipzig 1883. 
EntscheidungendesEhrengerichtshofes, herausgegeben vom Schriftführer- Amte des deutschen 
Anwaltvereins. Berlin. Seit 1879. 
Juristische Wochenschrift. Organ des Deutschen Anwaltvereins. Berlin. Seit 1872. 
Deutsche Rechtsanwalts-Zeitung. Mainz. Seit 1906. 
Zeitschrift des Internationalen Anwalt-Verbandes. Wien. Seit 1902. 
Das Barreau. Organ.für die Standes-Interessen der Anwälte Österreichs. Wien. Seit 1898. 
Joachim, Gebührenordnung für Rechtsanwälte. 5. Aufl. 1908. Nachtrag 1909. 
Pfafferoth, Dieselbe 4. Aufl. 1905. Nachtrag 1909. 
  
  
  
Die Spuren eines Parteien-Wortführer- Amtes lassen sıch bis ins früheste germanische Alter- 
tum verfolgen. In voller Klarheit erscheint das Amt aber erst im Sachsenspiegel und Richtsteig 
und den sich um diese beiden Hauptquellen gruppierenden mittelalterlichen Rechtsdenkmälern. 
Der Partei wird vom Richter ein Vorsprecher, meist aus den Urteilern des Gerichts, bestellt, 
dessen Amt es ist, ihr die streng vorgeschriebenen Formeln, insbesondere die an das Gericht zu 
stellenden Fragen, vorzusprechen, worauf er unbefangen auf die Urteilerbank zurückkehrt und in 
derselben Sache mit Recht spricht. An vielen Gerichten herrscht Vorsprecher-Zwang, 
darin bestehend, dass die Partei ohne Vorsprecher nicht reden darf. 
Das Amt war der Idee nach ein unbezahltes Ehrenamt. Frühzeitig jedoch wurde die Unent- 
geltlichkeit aufgegeben; schon 1240 stellt das lübische Recht eine Gebührenordnung auf. Die Vor- 
sprecherschaft wırd zum Lebensberuf. Seit dem 13. Jahrhundert finden wir ständige, ein für alle 
Mal vereidete, sog. „gemeine“ Vorsprecher, die für ihr Gericht ein mehr oder weniger ausschliessliches 
Recht des Redens haben, dann aber in der Regel nicht mehr Urteiler sein dürfen. 
Ende des 15. Jahrhunderts dringt mit dem kanonischen Prozesse auch dessen Sachwalter- 
schaft in die weltlichen Gerichte ein, deren Verfassung beruht auf der Teilung inProkuratur 
undAdvokatur, die erste das Amt des Redners, die zweite das des Schriftsatz-Verfertigers. Nur 
der Prokurator ist Partei-Vertreter, der Advokat ist Hilfsperson, darf vor Gericht nicht auftreten. 
Die Prokuratur ist Amt, die Advokatur freigegeben. Nur die Prokuratur entsprach dem nationalen 
Gebilde des Vorsprechertums; sie verschmilzt mit ihm. Die ungelehrten Vorsprecher sehen sich jetzt 
aber genötigt, gelehrte Advokaten zuzuziehen, die, zunächst noch in der Rolle unverantwortlicher 
Hilfspersonen, den Prozess leiten, bald aber auch das Recht des Auftretens vor Gericht erlangen. 
Die nunmehr überflüssige Prokuratur fristet noch eine Zeit lang ihr Leben und verschwindet ım 
Laufe des 18. Jahrhunderts (in Preussen 1748 durch den Codex Fridericianus); Reste haben sıch 
eber bis tief ıns 19. Jahrhundert erhalten.!) 
Auf die nunmehrige Advokatur gingen die Eigenheiten der Prokuratur, Amtseigenschaft, 
geschlossene Zahl, Sachwalterzwang über. Sogar ein kurzlebiger Versuch wurde gemacht, sıe zu 
einem reinen Staatsamte umzügestalten, und zwar in Preussen durch die grosse Carmersche Gesetz- 
Handbuch der Politik. II. Auflage. Band II. ( 
  
  
 
	        
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