138 Theobald Ziegler, Hochschulfragen im allgemeinen.
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Charakter des ganz Privaten nehmen, hiesse der Universität immer mehr, und mehr noch als dies
schon geschehen ist, den Beamtencharakter geben und dadurch allerdings auch die Lehrfreiheit
gefährden. Daher wird man vor allem differenzieren müssen. Kaufmann?) hat die ausserordent-
lichen Professoren — denn nur um diese kann es sich handeln — in fünf Gruppen eingeteilt; es
wird genügen, zwei Klassen zu unterscheiden: solche, die Vertreter notwendiger Fächer und als
solche vielleicht auch Leiter von Instituten sınd, ohne deren Mitarbeit also der Universitätsunter-
richt eine Lücke aufzeigte; und zweitens solche, die vom Privatdozenten aufgestiegen im wesent-
lichen noch den Charakter eines solchen haben und nur den Namen — den Titel und Rang — eines
Professors führen. Von den ersteren ist es nun durchaus berechtigt und gut, dass sie an der Verwal-
tung der Universität und Fakultät ihren vollen Anteil verlangen und bekommen; bei den letzteren
dagegen liegt dafür kein Grund und kein Rechtsanspruch vor: sıe sollten es meines Erachtens
nicht einmal anstreben, sondern sich vielmehr ıhrer goldenen Freiheit freuen. Dagegen ist es ver-
nünftig, dass alle Extraordinarien im Plenum den Rektor und eventuell auch den Vertreter der
Universität ın der Ersten Kammer mitwählen. Auch davon bleiben die Privatdozenten, von denen
die jüngeren die Bedürfnisse einer Universität gerade auch nach ihrer Verwaltungsseite hın noch
nıcht kennen, also auch nicht beurteilen können, wer zu ihrer Vertretung nach aussen hin der rechte
Mann ist, besser ausgeschlossen ; sie sollten überhaupt keine weiteren Rechte anstreben; denn dafür
müssten ihnen auch Pflichten auferlest und sie dadurch in ihrer Freiheit beschränkt werden.
Hinter allen diesen Fragen aber verbirgt sich schliesslich doch immer wieder nur das eine grosse
Gegenwartsproblem unserer Universitäten: das Verhältnis dieser sıch selbst verwaltenden Körper-
schaften zum Staat. Wirsindschon bisher immer wieder darauf gestossen. Die Wissenschaft braucht
Geld, unsere Universitäten werden immer teurer. Es ist das grosse Verdienst Althoffs, ıhnen reichlich
Mittel verschafft und sie dadurch zu Blüte und Glanz gebracht zu haben. Dafür mussten sie eine
immer wachsende Abhängigkeit vom Staat und seinen Vertretern ın Kauf nehmen, und mussten Ihre
Professoren immer mehr zu Staatsbeamten werden. Und so treffen denn auch ın der Gehaltsfrage
die beiden Konkurrenten und die beiden konkurrierenden Anschauungen alsbald wıeder auf ein-
ander. Es ist zunächst etwas Abnormes, dass die Professoren für ihre Leistungen gewissermassen
doppelt bezahlt werden, einmal vom Staat in Form des Gehaltes und dann von den Studenten ın
Form des Kollegienhonorars. Die gegen dieses letztere vorgebrachten Gründe, dass dadurch
eine grosse Ungleichheit in den Einkünften und in der Lebenshaltung der Professoren herbeigeführt
werde und dass der Professor dem Studenten gegenüber in eine schiefe Stellung komme, kann ich
nicht anerkennen. Wenn Ungleichheit — was schadet sie denn? und kommen tut sıe ja doch;
man denke nur an die ärztliche Praxis grosser Kliniker und an die Rechtsgutachten hervorragender
Juristen. Von einer schiefen Stellung aber oder gar von einer gewissen Abhängigkeit den Studenten
gegenüber Ist mir nie etwas entgegengetreten oder auch nur zum Bewusstsein gekommen. Ebenso-
wenig kann ich freilich den Hauptgrund der Gegenseite gelten lassen, dass der Professor einzig oder
doch hauptsächlich durch das Kolleggeld bestimmt werde, eifrig und gewissenhaft zu sein ım Halten
seiner Vorlesungen und sıch für sie die rechte Mühe zu geben: als ob unsere Beamten nıcht auch
ohne solche besonderen Einkünfte ebenso gewissenhaft ihre Berufspflichten erfüllten. Aber aller-
dings zeigt das Beispiel des Beamten, dass durch das Kolleggeld die Unabhängigkeit des Professors
vom Wohlwollen oder Übelwollen einer Regierung, wie sie durch den Korporationscharakter der
Universitäten gefordert und im Interesse der Lehr- und Redefreiheit des Professors besonders not-
wendig wırd, inder Tat am besten gewahrt ist. Da aber das Titel- und Ordenswesen an unseren
Universitäten nachgerade ebenso blüht wiein unserer Beamtenschaft und durch Verleihung oder Vor-
enthaltung von solchen Nichtigkeiten die Abhängigkeit ebenso markiert werden kann, so ist dieser
Grund durchschlagend bloss für den, der auch auf Titel und Orden zu verzichtenbereit ıst. Nur dann
halten sich die Gründe für und wider das Kollegienhonorar die Wage; so wie die Dinge heute liegen,
würde ich mich, schon um des bösen Scheines willen, der ihm anhaftet, entschieden auf die
Seite der Gegner dieser Einrichtung stellen. Dass mit dem Auskunftsmittel, das Preussen
gefunden hat, einen Teil dieser privaten Einkünfte für Universitätszwecke einzuziehen, das
°) Kaufmann a. a. O. S. 249.