Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

   
en 
6 Adolf Günther, Arbeiter-, Angestellten- und Arbeitgeber-Organisationen. 
BEER 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
stehen 1895 622 000, 1907 aber 1291 000 gegenüber, wobei die 140 000 leitenden Beamten noch 
unter den selbständigen Berufstätigen gezählt werden, heute sınd es weit über eineinhalb Millionen. 
Dass die Organisation aus diesen Zahlen Gewinn ziehen musste, erhellt sofort. 
Zuerst hat sich der deutsche Handlungsgehilfenstand organisiert, dessen drei 
grösste Verbände — Deutschnationaler Handlungsgehilfenverband (Hamburg), Verband deutscher 
Handlungsgehilfen (Leipzig) und Verein für Handlungskommis von 1858 (Hamburg) über dreihundert- 
tausend Mitglieder zählen. Die mit der Arbeiterbewegung zusammengeschlossenen Organisationen, 
der Zentralverband und der Verem der deutschen Kaufleute, sind an Zahl beträchtlich zurück- 
geblieben, was wohl in ihrer Organisations-Eigenart begründet ist. Der letztgenannte Verein hat 
sich neuerdings (s.o.) organisatorisch auf eigene Füsse gestellt. Das Gros des mehr und mehr sich kon- 
solıdierenden Standes fordert eben unbedingte Selbständigkeit der Bewegung. 
Die weiblichen Handlungsgehilfen verfügen neben kleineren vorzugsweise über zwei starke 
Organisationen: Kaufmännischer Verein für weibliche Angestellte (Berlin) und Verbündete 
Kaufmännische Vereine weiblicher Angestellter (Frankfurt a. M.) 
In den Kreisen der technischen Beamten, deren ziemlich zerklüftete Organisationen 
seit einiger Zeit einen allerdings nur äusserlichen Zusammenschluss im ‚Sozialen Ausschuss von Ver- 
einen technischer Privatangestellter‘ gefunden haben, ragen der Zahl nach Werkmeisterverband, 
Technikerverband und Bund der technisch-industriellen Beamten hervor. Sie umfassen zusammen 
über Hunderttausend Mitglieder. Zieht man kleinere Verbände in Betracht, so bleibt die Zahl der 
Örganisierten nur im Werkmeisterberufe beträchtlich hinter der Hälfte der Berufsge- 
nossen zurück; annähernd der gleiche Prozentsatz trıfft auch für die Handlungsgehilfen zu. 
Die Bureaubeamten, die landwirtschaftlichen Beamten, viele einzelne Berufe (teilweise 
künstlerischen Einschlags, wie die Musiker und Schauspieler) gingen ebenfalls an den Ausbau ihrer 
Organisationen, die angesichts recht ungünstiger sozialer Verhältnisse zur unabweisbaren Notwendig- 
keit geworden sind. 
Ausserordentlich reichhaltig sind die Formen und die Grundsätze dieser Verbände, 
deren linker und rechter Flügel bereits in die reine Politik hinüberneigt, während sich die grosse 
Masse von paritätischen zugewerkschaftlichen Anschauungen fortentwickelt hat, jeden- 
falls heute ausnahmlos sich zur Vertretung lediglich der Angestellten- (und wohl auch Beamten-) 
Interessen bekennt. Dass diese Entwicklung, die sich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen mit 
innerer Notwendigkeit ergibt, beschleunigt und vertieft wurde, ist das Verdienst jüngerer, ausge- 
sprochen gewerkschaftlich gerichteter Verbände. Heute bemühen sich aber auch die älteren Organi- 
satıonen um eine klare sozialpolitische Richtlinie, die manche von ihnen unter dem Begriff einer 
„gewerkschaftlichen Standespolitik‘“, die mit Erfolg den extremen Radika- 
Iısmus fern zu halten weiss, näher präzisiert haben. 
Die Aufgaben, die der Angestelltenbewegung als spezifische Standesaufgaben 
neben der allgemeinen sozialen Politik obliegen, sind heute vorzugsweise: Erweiterung und Ver- 
besserung der Sozialversicherung (Erweiterung der Versicherungspflicht-Grenze, Her- 
absetzung der Altersgrenze bei der Pensionierung, Berufsinvalidität), die Vereinheitlichung und Re- 
iormdesAngestelltenrechts, wobeidrückendeBestimmungen, wie die Konkurrenzklausel, 
fallen sollen. Über die Wege, die einzuschlagen sind, herrschen tiefgehende Meinungsverschieden- 
heiten (so. in der Versicherung: ob Ausbau der Invalidenversicherung oder Sonderkasse ; die Mehrheit 
hat sich im sog. „Hauptausschuss“ für die letztere entschieden und bekanntlich neuerdings einen 
vollen Erfolg erzielt: das Versicherungsgesetz für Angestellte). Ebenso begegnet die Frage der 
Selbsthilfe und ihrer Mittel noch manch verschiedener Auffassung, doch ist man allgemein und mit 
gutem Erfolg an die Schaffung gewerkschaftlicher Selbsthilfeeinrichtun- 
gen, wieder Stellenlosenunterstützung, gegangen. Im ganzen beginnt der Stand sich seiner zahlen- 
mässigen und betriebstechnischen Bedeutung zu besinnen, in seinen Organisationen hat er Einfluss 
auf das Arbeitsverhältnis, auf Gesetzgebung und öffentliche Meinung in hohem Masse gewonnen. 
Gleiches ist bis zu einem gewissen Grade für die Organisation der öffentlichen Be- 
umtcn (soweit sie nicht, wie z. T. im Technikerberuf, mit jener der Privatangestellten zusammen- 
  
  
  
  
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.