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8 H. Köppe, Arbeiterschutzrecht.
Bis Anfang 1913 waren 20 Streikversicherungsgesellschaften bekanntgeworden ;vonihnen waren
zwei den — jetzt vereinigten — grossen Gesamtverbänden, Hauptstelle und Verein deutscher
Arbeitgeberverbände, angeschlossen und haben den Charakter von Rückversicherungsanstalten.
Besonders wichtig ist der am 4. April 1913 erfolgte Zusammenschluss der eben genannten
Organisationen. Die neue „Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände“ bedeutet eine
mächtige Vertretung der deutschen Arbeitgeber, wıe sie ım Auslande in diesem Umfang nicht vor-
handen sein dürfte. In England ist man gegenwärtig bemüht, eine ähnliche gemeinsame Kampf-
front, für die ein Fonds von 1 Milliarde Mark schon gesichert sein soll, herbeizuführen. Damit
nehmen die sozialen Auseinandersetzungen einen immer grösseren Umfang an. Vielleicht haben die-
jenigen Recht, welche sich gerade hiervon eine Disziplinierung der Arbeitskämpfe und eine auf beiden
Seiten entstehende Geneigtheit zu friedlicher Verständigung versprechen.
65. Abschnitt.
Arbeiterschutzrecht.
Von
Dr. MH. Köppe,
a. 0. Professor der Nationalökonomie an der Universität Marburg.
Quellenmaterialien :
Die einschlägigen deufschen und auslandischen Gesetze und Vollzugsvorschriften, abgedruckt u. a. im
Reichsarbeitsblatt: in dem vom Internationalen Arbeitsamt in Basel herausgegebenen Bulletin und im annuaire
de la legislation du travail des belgischen office du travail. Die Jahresberichte der Gewerbeaufsichtsbeamten
(s. Keichsarbeitsblatt).
Literatur:
Handwörterbuch Jer Staatswissenschaften, Bd. I. Art. „Arbeiterschutzgesetzeebung“. Art. „Arbeiterschutz‘
im Wörterbuch der Volkswirtschaft und im Oesterreichischen Staatswörterbuch. Herkner, „Die Arbeiter-
frage“, 5. Aufl. 1908, Kap. X. von Zwiedineck-Südenhorst: „Arbeiterschutz u. -Versicherung‘“, 1905,
und „Sozsalpolitik, 1911, 8. 244 ff. von Wiese: „Einführung in die Sozialpolitik", 1910, S. ff. Abbe:
„Bozialpolitische Schriften. Die Artikel über Arbeiterschutz in der „Sozialen Praxis“, Die Veröffentlichungen
der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz und die Schriften der Gesellschaft für soziale
Reform betr. Arbeiterschutz. Die Kommentare zur Gewerbeordnung, besonders dervonv. Landmarn. Evert:
„Handbuch des geweiblichen Arbeiterschutzes“, 18497. van Zanten: „Der Arbeiterschutz in den europäischen
Ländern“, 1902. von Finckh: „Handbuch der sozialpolitischen Gesetzgebung“, 1906. Stier-Somlo:
„Die neueste Entwickelung des deutschen Gewerbe- und Arbeiterschutzrechts“, 1910. Auch die nationalökonomischen
Lehrbücher und Zeitschriften behandeln den Arheiterschutz, besonders: Archiv für soziale Gesetzgebung und
Statistik, Annalen fur soziale Politik und Gesetzgebung.
Die Arbeiterschutzgesetzgebung will den Menschen im Arbeiter schützen gegen die mannig-
fachen Gefahren, die ihn bei und infolge der Ausübung seiner Berufstätigkeit bedrohen. Dieses
staatlıche Eingreifen ward, trotzdem es äusserlich betrachtet einen Eingriff in den ‚‚freien Arbeits-
vertrag , dieses Grundprinzip der gegenwärtigen Arbeitsverfassung darstellt, aus zweifachem
Grunde unabweisbar. Erstens wurde durch die grosse Umwälzung in der Technik der gütererzeu-
genden Arbeit, in deren Mittelpunkte die Einführung der Dampfmaschine und die Vervollkommnung
der technischen Arbeitsteilung stehen, sowohl das Arbeitsverhältnis als die auf ihm beruhende
wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeiters ebenfalls völlig revolutioniert. Im Grossbetriebe,
der dadurch die führende Rolle in der Volkswirtschaft erhielt, hat das Arbeitsverhältnis nicht mehr