Sechzehntes Hauptstück.
Polizeı und Sıcherheitsreformen.
86. Abschnitt.
Sicherheitspolizei.
Von
Exzellenz Wirklichem Geheimen Rat Dr. Eugen von Jagemanı,
0. Honorarprofessor der Rechte an der Universität Heidelberg.
Literatur:
Abgesehen von den Werken über Verwaltung und Polizei im allgemeinen (vgl. Literatur-
nachweis an der Spitze des Abschnitts 14, ferner die Nachweise in Edgar Lönings Artikel ‚Polizei‘ im Hand-
wörterbuch der Staatswissenschaften Bd. 6, Aufl 3), vgl. fürSicherheitspolizei speziell: dieWerke
von Grävell, Zimmermann, Vidocq, Daru (siehe v. Mohl, Polizeiwissenschaft III S. 478 über das Nähere) für die
Zeit bis 1866, sodann die im Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts von G. Meyer (Auflage 4 von
Dochow 1913) Teil 1 8$ 29—35, je an der Spitze, zitierten Spezialwerke für die neuere Zeit, sowie Weiss
über Police secr&ete im Bulletin der Union Internationale de droit penal, XVII S. 382 ff. (Berlin, Gutten-
tag, 1910), Köhne, Grundzüge des Verwaltungspolizeirechts (Berlin 1906) und Hieber-Bazille, Komm. zum
deu schen Vereinsgesetz (Stuttgart, Hess, 1908). Eine neueste geschichtliche Sonderforschung bietet Fournier,
Geheimpolizei auf dem Wiener Congress (Leipzig, Freytag, 1913).
I. Geschichtliches. Im alten deutschen Reich ward zwar jede ausführende Tätigkeit poli-
zeilicher Art als Sache der Reichsstände betrachtet, dıe Kaiser übten aber eine normierende Ge-
walt, mit Zustimmung jener, und begannen 1530 Reichspolizeiordnungen zuerlassen,
In systemloser Weise die verschiedensten (Gebiete behandelnd, darunter auch sicherheitspolizel-
liche, namentlich das Bandenwesen ım älteren Sinn, das erst mit der steigenden Kultur ım 19. Jahr-
hundert allmählich erlosch, und das Landstreichertum; auch befassten sıch die Reichstage selbst
mit „BRumorsachen“. Während die Bewahrung vor öffentlichen Friedensstörungen
so im Vordergrund stand, spielte in der folgenden Zeit, bei hergestellter äusserer Ordnung, die Über-
wachung geheimer Umtriebe die Hauptrolle als ein Charakterzug absoluter Staaten,
namentlich auch der romanischen, (besondere Polizeiministerien, @eheimpolizei, lettres de cachet),
deren Machtsystem, im Gegensatz zu freien Richtungen ın der Bevölkerung selbst, dıe Immer
grössere Ausdehnung der Vorsichts- und Unterdrückungsmassnahmen ergab; insbesondere auch
indeeRheinbundszeit — Artikel 26 der Rh.B.A. rechnete die „haute police“ auf gleicher
Linie nur mit Legislative, höchster Gerichtsinstanz, Aushebungs- und Steuerrecht zu den Sou-
veränitätsrechten, deren die Mediatisierten entkleidet wurden — und in der Bundestags-
zeit festigte sich der potenzierte Begriff der „politischen Polızeı ın dem Sinne, „ge-
fährlicher Bewegung vorzubeugen” und Bund wie Einzelregierungen, obwohl letztere zum Teil
bald zu modernen Verfassungen gelangten, wirkten zusammen, für bedrohlich erachteten ‚Ver-